Nach all diesen Monaten intimer Bekanntschaft mit Corona wissen wir nicht einmal, ob es uns sexuell abtörnt oder anspitzt.

Foto: APA / dpa / Patrick Pleul

Von all den vielen Viren, die auf Gottes Erdboden herumkugeln, gebührt einem Virus unangefochten der Titel "Die Sphinx". Es heißt Corona, Sie haben den Namen wahrscheinlich schon gehört. Was uns diese hinterfotzig-vertrackte Nanosau an Rätseln aufgegeben hat, geht auf keine Kuhhaut.

Erst hieß es, das Ding sei morbid und stürze sich ausschließlich auf alte Knackerinnen und Knacker. Dann kam man drauf, dass es auch Menschen in vormittelalterlichen Lebensphasen nicht verschmäht. Warum es den einen anspringt und die andere nicht, ist ein Buch mit sieben Siegeln.

Ebenso mysteriös die Auswirkungen auf verschiedene Organismen, die Differenzen sind enorm. Herr A verspürt den Virenbefall fast gar nicht, lediglich so, als habe ihn ein lindes Zephyrlüftchen gestreift. Bei Herrn B verwandelt er die Leber blitzartig in Pâté und die Lunge in einen Schwamm, mit letalem Ausgang, versteht sich.

Wer traut dem Frieden wirklich?

Die momentane Verbreitung des Virus bleibt rätselhaft. Eingedämmt, dezimiert, wenn nicht gar ausgerottet sei es, jubilieren die Lockerungsenthusiasten und drängen auf die sofortige Freigabe von grenzenlosen Zusammenrottungen sowie von Zungenküssen zur Begrüßung auch unter Fremden.

Aber wer traut dem Frieden wirklich? Wer will ausschließen, dass es sich eine Schar versprengter Nanosäue unter dem Gasthaustisch gemütlich gemacht hat und gierig auf einen Wirt wartet? Dass andere auf Speicheltröpfchen huckepack durch die Luft schwirren und den Passanten wie gebratene Tauben in den Mund fliegen?

Nicht einmal beim Sex verhält sich die Sphinx klar und eindeutig. Laut einer neuen Studie über die Folgen des Lockdowns für die Libido (Barbara Rothmüller, SFU) gab knapp ein Viertel der Befragten an, sie seien gamsiger geworden, während knapp ein Viertel weniger gamsig war (gut der Hälfte der Befragten ging das Coronavirus am Geschlechtsorgan vorbei).

So ist das also. Nach all diesen Monaten intimer Bekanntschaft mit Corona wissen wir nicht einmal, ob es uns sexuell abtörnt oder anspitzt. Die Pharmaindustrie sollte schleunigst das Anspitz-Potenzial von Corona erkunden und für die Entwicklung eines Tranks nutzen, nach dessen Genuss selbst die müdesten Paare scharf aufeinander werden wie Nachbars Lumpi. Damit die Nanosau wenigstens für die österreichische Nationalgamsigkeit etwas Gutes tut.(Christoph Winder, 13.6.2020)