Gert Waltenbauer, CEO des Finanzierungsdienstleisters KGAL, wohnt in einem 270 Jahre alten Bauernhaus am Stadtrand Münchens. An die Raumhöhe mussten er und sein Kopf sich erst gewöhnen.

"Der Raum ist außergewöhnlich. Er ist einerseits behaglich und gemütlich, mit den niedrigen Decken und der unverputzten Klinkerwand in der Küche, andererseits aber auch irgendwie roh und loftig, mit den harten Kanten und den teils kalten Materialien an Decke, Wand und Boden. Mir gefällt, dass man hier zwar deutlich den Architekten Peter Haimerl spürt, der hier ein geniales, komplett wahnsinniges Konzept realisiert hat, und ja, es ist unverkennbar haimerlig, aber trotzdem lassen mir die Räume genug Freiraum, um sie mir gut und gerne anzueignen.

Erst Schusterbetrieb, dann Leerstand, nun Wohnhaus: Gert Waltenbauer zu Hause.
Foto: Edward Beierle

Gefunden habe ich das Haus 2016, kurz nach der Fertigstellung. Ich habe ein völlig verrücktes Foto davon gesehen, und zwar von einem Pferd in einem fast verfallenen Ziegelhaus, hinter dem Gaul eine nackte Betonwand mit einem quadratischen Loch in der Mitte. Es war ein Foto, das man einfach nicht übersehen konnte, ein Kooperationsprojekt des Münchner Bauträgers Euroboden und des Künstlerduos beierle goerlich. Aus reiner Neugier habe ich beschlossen, das Haus zu besichtigen. Ich war so hin und weg, dass ich spontan an Umzug gedacht habe. Später habe ich erfahren, dass das Haus zur Vermietung steht. Ich musste einfach zuschlagen.

Das Haus ist 270 Jahre alt. Soviel ich weiß, war das ein Schusterbetrieb mit einem kleinen Bauernhof, der im Nebenerwerb betrieben wurde und von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Die letzten 30 Jahre aber stand das Haus leer. Ein Gebäude mit ziemlich niedrigen Räumen, noch niedrigeren Türdurchgängen, und von Holzwürmern zerfressen. Noch dazu stand das Ganze unter Denkmalschutz. Nicht gerade die wirtschaftlich attraktivste Investition! Schön, dass sich dann doch noch ein Bauträger gefunden hat, der sich seiner angenommen hat.

Bei der Einrichtung setzt Gert Waltenbauer auf Möbel aus den 1960er- und 1970er-Jahren. "Eigentlich unglaublich, dass Stücke, die 200, fast 300 Jahre auseinanderliegen, so gut miteinander harmonieren, oder?"
Foto: Edward Beierle

Ja, es ist ein Haus mit allen Nachteilen, die man sich vorstellen kann: Holzsplitter in den Füßen, das Rausziehen ist mein wöchentliches Ritual, die Pinzette hat einen Stammplatz auf dem Tisch, unzählige Beulen am Kopf, Tag und Nacht knarzendes Gebälk. Ich selbst bin 1,80 Meter groß, allerdings liegen die Türbalken auf 1,75 Meter, und die Raumhöhe variiert in einigen Räumen zwischen 1,90 und 2,20 Metern, als Kontrast dazu hat die Küche im hinteren Bereich fast fünf Meter Höhe. Ein Mensch in meiner Größe kann gar nicht anders, als sich in Demut, mit einer permanenten Verbeugung vor den alten Mauern, durch die Räume zu bewegen. Bedenkt man, dass ich davor in einer umgebauten evangelischen Kirche mit sieben Meter hohen Räumen gewohnt habe, ist das doch eine Umstellung.

Die Raumhöhe variiert in manchen Räumen zwischen 1,90 und 2,20 Metern.
Foto: Edward Beierle

Aber dennoch vermittelt dieses Haus eine so wohltuende Atmosphäre, dass man ihm für die ganzen Beulen und Splitter einfach nicht böse sein kann. Manchmal streichle ich über den alten Lack und bewundere, dass immer noch die Reißnägel im Holz stecken, mit denen man früher die Tapeten fixiert hat. Und ich bin dem Haus dankbar dafür, dass es meine Kunstwerke und meine geliebten Möbel aus den Sechzigern und Siebzigern so gut aufnimmt. Eigentlich unglaublich, dass Stücke, die 200, fast 300 Jahre auseinanderliegen, so gut miteinander harmonieren, oder?

"Manchmal streichle ich über den alten Lack und bewundere, dass immer noch die Reißnägel im Holz stecken", sagt Gert Waltenbauer.
Foto: Edward Beierle

Trotzdem hat das Wohnen hier ein Ablaufdatum. Ich habe Architekt Peter Haimerl mit einem Umbauprojekt in München-Haidhausen beauftragt. Ein Altbau, den er mit Holz, Beton und Stahl auf haimerlige Weise umbaut. Demnächst ist die Fertigstellung geplant, ich freue mich schon, aber ehrlich gesagt wird mir dieses Bauernhäuschen hier ziemlich fehlen. Ich glaube, ich werde die ersten Monate mit gebücktem Haupt wohnen." (15.6.2020)