Ümit Vural, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ),

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Wien – Nach dem Rücktritt von Frauensprecherin Fatma Akay-Türker aus dem Obersten Rat der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) reagierte IGGÖ-Präsident Ümit Vural am Freitag mit der Ankündigung, eine "unabhängige Kommission für die Themen Gleichstellung, Frauenförderung und Diversität in der Glaubensgemeinschaft" einsetzen zu wollen: "Die Kommission soll uns dabei helfen, unser Bewusstsein zu schärfen und unsere Wahrnehmung zu sensibilisieren, um so eine langfristige Förderung der Chancengleichheit und der partnerschaftlichen gerechten Gemeinschaft von Frauen und Männern innerhalb unserer Glaubensgemeinschaft zu verwirklichen."

Eine solche Kommission hatte tags zuvor Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik an der Uni Wien, im STANDARD als Reaktion auf Akay-Türkers Rücktritt gefordert. Die IGGÖ brauche neue Strukturen, und die wichtigste Voraussetzung dafür sei eine externe Evaluation durch eine unabhängige Kommission, die die Strukturen analysieren und dann mit neuen, jungen Menschen Zukunftskonzepte entwickeln solle.

Versäumnisse der Vergangenheit aufholen

IGGÖ-Präsident Vural ließ in seiner Aussendung außerdem wissen: "Bis zur nächsten Sitzung des Schurarats, der die Mitglieder des Oberstes Rats wählt, sollen neben einer neuen Frauensprecherin auch weitere Posten für Frauen freigeräumt werden." Er wolle damit "die Versäumnisse der Vergangenheit nun aufholen". Man sei sich allerdings auch "bewusst, dass eine tatsächliche Gleichstellung nicht einfach durch eine geschlechtsparitätische Zusammensetzung der Gremien erfolgen kann".

Die (auch als Religionslehrerin) zurückgetretene IGGÖ-Frauensprecherin Fatma Akay-Türker hatte ihren Rückzug im STANDARD-Interview unter anderem damit begründet, dass "in der IGGÖ die Abwertung der Frau institutionalisiert" worden sei und die IGGÖ die Frauen durch eine "männerdominierte Theologie" bzw. eine "Zwangstheologie" an ihrer Entfaltung hindere. Frauen würden auf die traditionelle Rolle, den Küchendienst in den Moscheen und die Kopftuchfrage reduziert. "Stillstand bewahren" sei das oberste Programm der IGGÖ: "Es reicht!"

Dem schloss sich auch die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) an. Vorsitzende Nermina Mumic wies ebenfalls auf den "dringenden frauenpolitischen Handlungsbedarf" hin und forderte mehr Möglichkeiten für Frauen in der Glaubensgemeinschaft.

Schlüsselpositionen für Frauen in der IGGÖ

Der IGGÖ-Präsident betonte am Freitag, dass der Frauenanteil innerhalb der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich "in den letzten Jahren stetig gestiegen" sei: "Kompetente Frauen besetzen wichtige Schlüsselpositionen, vom Institut Islamische Religion bis zum Schulamt, von der Islamischen Fachschule für soziale Bildung bis zur psychosozialen Beratungsstelle, vom Generalsekretariat des Schurarats bis zu den erstmalig von Frauen geleiteten Islamischen Religionsgemeinden in den Bundesländern, von der Leitung des Präsidialbüros bis zu jener der Pressestelle."

Frauen bildeten eine "wichtige und unverzichtbare Säule in der islamischen Seelsorge und im Religionsunterricht" – diese Fortschritte "wurden vielleicht nicht immer öffentlichkeitswirksam sichtbar gemacht, ihre Relevanz ist jedoch nicht zu verkennen".

Gleichbehandlung ist bei weitem noch nicht verwirklicht

Allerdings, räumt Ümit Vural mit Blick auf die politischen Entscheidungsgremien der IGGÖ, in denen "Frauen immer noch deutlich unterrepräsentiert" seien, ein: "Die Gleichbehandlung von Frauen in unseren Reihen ist bei weitem noch nicht verwirklicht." Sein Antrittsversprechen und sein eigener Anspruch an die IGGÖ unter seiner Leitung "war und ist es jedoch, eine gleichwertige Beteiligung und Sichtbarkeit von Frauen und Männern in allen Bereichen unserer Gemeinschaft einzufordern und zu fördern", sagt der IGGÖ-Präsident.

In dem Zusammenhang kritisierte er, dass zwar im vergangenen Jahr nach einem mehrmonatigen Prozess die Deklaration "Musliminnen am Wort" öffentlich präsentiert worden sei, "doch der wichtige Vorstoß wurde liegengelassen". Viele Frauen innerhalb der Glaubensgemeinschaft, aber auch darüber hinaus seien daran beteiligt gewesen, aber anstatt sie danach "mit der Formulierung tatsächlicher Initiativen zu unterstützen, wird ihre jahrelange Arbeit diskreditiert, sie werden öffentlich angegriffen und pauschal als Opfer stilisiert". (Lisa Nimmervoll, 12.6.2020)