Das Duo Run The Jewels (Killer Mike und El-P) hat schon immer Musik über Ungerechtigkeit und Korruption in Amerika gemacht.

Foto: timothy saccenti

Schon bei den ersten Beats auf RTJ4, die das Album aufmachen wie ein Presslufthammer Beton, ist klar: Was nun folgt, ist Stress mit Grund. Dicht und dringlich fällt das vierte Werk des Hip-Hop-Duos Run The Jewels aus, als wäre es als wütendes Requiem auf den Tod George Floyds konzipiert gewesen. "And you so numb, you watch the cops choke out a man like me / until my voice goes from a shriek to whisper, ‚I can’t breathe‘", rappt Killer Mike an einer Stelle und bezieht sich dabei auf den Tod Eric Garners.

Der Track Walking In The Snow war bereits fertig, als Floyd noch nicht ahnte, dass ihm bald dasselbe wie Garner widerfahren würde. Die rassistisch motivierte Polizeigewalt ist in Amerika so präsent, dass ein Album, das sie verhandelt, leider immer aktuell ist. Dieses Mal war das Timing pervers perfekt: RTJ4 wirkt wie der Soundtrack zu den Black-Lives-Matter-Protesten.

RunTheJewels

Run The Jewels sind die 45-jährigen Herren Michael Render alias Killer Mike aus Atlanta und Jamie Meline alias El-P aus New York, das wahrscheinlich sympathischste Hip-Hop-Duo neben Outkast, ziemlich beste Freunde. Politischer Rap auf eher experimentellen Beats sind die Werkzeuge, mit denen sie ihre Tätigkeit als Chronisten eines tief gespaltenen Landes verrichten.

Humor haben sie trotzdem – auf Wunsch ihrer Fans nahmen sie zum Beispiel RTJ2, also ihr zweites Album, noch einmal auf und bauten die Instrumentals nur mit Katzensounds nach: Meow The Jewels war geboren.

Verdammt unfair

Run The Jewels greifen Themen gesellschaftlicher Ungerechtigkeiten, besonders Rassismus, nicht zum ersten Mal auf: Alle vier ausgezeichneten Alben des Duos sprechen unmissverständlich an, was wir nicht oft genug hören können: Diese Welt ist verdammt unfair. Render machte sich auch als politischer Aktivist mit seiner lösungsorientierten, ruhigen Art einen Namen und unterstützt Bernie Sanders seit 2015.

Es geht in dem neuen Album zwar auch um Familie und die Freundschaft zwischen Render und Meline, die sich die Bälle zupassen und mit viel Augenzwinkern auch darüber rappen, wie toll sie sind. Aber es sind die gesellschaftspolitischen Themen, die dieses Album durchtränken und die Art und Weise, wie sie verhandelt werden, die es auszeichnen.

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Sei es die ungerechte Verteilung von Geld ("You ever notice that the worst of us have all the chips? / It really kinda takes the sheen off people gettin’ rich"), die Gewalt und der Schmerz – Killer Mike und El-P finden für Unaussprechliches die richtigen Worte. Als Hintergrundmusik taugt das freilich nicht; man muss jedem Wort zuhören, auch wenn es wehtut, ja, weil es wehtut.

Der letzte und wahrscheinlich beste Track des Albums, A Few Words For The Firing Squad (Radiation), durch den ein nervöses Jazz-Saxofon mäandert, zeigt die ganze Kunst dieses wortgewaltigen Duos: Da erzählt El-P von seinem jugendlichen Wunsch, ein kluger Mann zu werden, nur um dann darüber zu reflektieren, dass es nicht Klugheit, sondern Empathie ist, wonach man streben sollte. Da spricht Killer Mike vom Drogentod seiner Mutter und wie er bis heute damit hadert.

Ganz am Ende zählen sie beide auf, wem dieses Album gewidmet ist: "For the truth tellers tied to the whippin’ post, left beaten, bat tered, bruised / For the ones whose body hung from a tree like a piece of strange fruit." Und im Allgemeinen für all jene, die nie gehört werden. Ein mächtiges Manifest den Machtlosen. (Amira Ben Saoud, 13.6.2020)