Schwarze Veteranen stellen sich der Vergangenheit: Spike Lee behandelt in "Da 5 Bloods" die Rolle von Afroamerikanern in Vietnam.

Foto: Netflix

Auf den Black-Lives-Matter-Demonstrationen wird das Unrecht, das schwarzen Amerikanern widerfahren ist, gegenwärtig auch in eine historische Perspektive gerückt. Der brutale Erstickungstod von George Floyd ruft die vielen anderen Opfer von Polizeigewalt in Erinnerung, die Proteste wecken aber auch Assoziationen zu den Unruhen, die die Bürgerrechtsbewegung Ende der 1960er-Jahre begleitet haben.

Umgekehrt vergehen keine zwei Minuten in Spike Lees neuem Film, bis man an die Gegenwart denkt. Angela Davis und Muhammad Ali sprechen da von der Wechselwirkung zwischen Vietnam und den Verhältnissen daheim, und man sieht Malcolm X in einer Archivaufnahme, der indirekt schon eine Idee von Reparationszahlungen für Afroamerikaner formuliert.

Netflix

Weniger vornehm spricht es einer der schwarzen Vietnam-Veteranen aus, die in Da 5 Bloods an den Kriegsschauplatz zurückkehren: "I say, the USA owe us. We built this bitch." Er bezieht sich auf einen Koffer voller Goldbarren, den sie damals im Dschungel vergraben haben und mit dem eigentlich Verbündete bezahlt werden sollten. Jetzt wollen ihn die GI für sich – ein verspäteter Sold für einen Krieg, in dem sie nichts verloren hatten, ja mehr noch Schmerzensgeld für ihr Volk. Schwarze waren in US-Kriegen stets überproportional vertreten, in Vietnam machten sie 32 Prozent aus (obwohl sie nur elf Prozent Bevölkerungsanteil haben) – oftmals an vorderster Front als Kanonenfutter.

Solche Informationen muss man für Da 5 Bloods nicht eigens recherchieren, Lee ist bekannt dafür, seine Filme mit Hintergrundwissen, einer "Awareness"-Politik anzureichern. Der Film folgt zwar der Logik eines Abenteuer- und (Post-)Kriegsfilms und gehorcht dabei eigentlich allen Genreregeln – man fühlt sich etwa an John Hustons The Treasure of Sierra Madre erinnert –, dennoch hat Lee trotz des Erfolgs mit BlacKkKlansman bei der Finanzierung große Probleme gehabt. Das Thema war fast allen Hollywood-Studios zu brisant, am Ende war es Netflix, das für ihn in die Bresche sprang und das den Film offenbar auch ins Kino gebracht hätte.

Die Kriegsbruderschaft

Apocalypse Now ist in Vietnam als Referenz auch nie verkehrt. Die vier Veteranen machen sich auf einem Boot auf in ihr eigenes Herz der Finsternis, selbst der Walkürenritt klingt kurz an. Dazwischen schneidet Lee immer wieder in Rückblenden zum Kriegseinsatz zurück, bei dem das Band der "Bloods" erst geknüpft wurde und ihr Anführer Norm (Black-Panther-Darsteller Chadwick Boseman) gefallen ist. Angefangen vom traumatisierten Paul (Delroy Lindo), der sich als sozial abgehängt empfindet und schneller als die anderen aus der Rolle fällt, nimmt sich Lee die Zeit, auf die unterschiedlichen Charaktertypen einzugehen. Clark Peters spielt als Otis ein bisschen den Gegenpart zu Paul, er ist das ausgleichende Glied in der Runde.

Dass die Männer bereits bei ihrem Ersteinsatz in Vietnam begriffen haben, dass ihnen nur ihre Bruderschaft als Kompassnadel bleibt, macht der Film in jener Szene deutlich, als sie mitten im Krieg von der Ermordung Martin Luther Kings erfahren: Verzweifelt vor Wut ballern sie in die Luft. Die Schatzsuche gerät dafür dann zur Gelegenheit, Heroismus nicht einfach auszuagieren, sondern auch zu problematisieren. Wiederholt streut Lee Bilder berühmter Afroamerikaner ein – vom revolutionären Märtyrer Crispus Attucks bis zum Leichtathleten Edwin Moses –, die als Vorbild in heiklen Situationen dienen.

Die Gier spaltet die Truppe

Die Gier nach dem Gold treibt dennoch die Unterschiede zwischen den Veteranen hervor, statt die gemeinsamen Sache zu stärken. Je weiter sie in den Dschungel vorrücken, desto mehr tritt der Krieger in ihren Persönlichkeiten hervor. Lee ist als politisch denkender Filmemacher auch so sensibel, bei aller Sympathie für seine Helden die Massaker an den Vietnamesen nicht zu vergessen. Selbst die eine oder andere Anti-Trump-Wuchtel samt MAGA-Kapperl hat noch Platz.

An Letzterem sieht man Spike Lees Freude an grellen Untertönen. Er pfeift auf Zurückhaltung, seine Filme sind oft voll wie Wundertüten. Das Finale des Zweieinhalb-Stunden-Epos hat dementsprechend viele Ebenen anzubieten. Delroy Lindo führt mit einem Bravourakt, einen Song von Marvin Gaye auf der Zunge, etwa eindringlich Pauls Zerrüttung vor Augen. Ein Teil des Goldes geht am Ende auch an Black Lives Matter. (Dominik Kamalzadeh, 13. 6. 2020)