Was an türkiser Politik oft nervt, ist der Umstand, dass reale Probleme nicht sachlich diskutiert und angegangen werden, sondern immer auch als Vehikel für türkise Propaganda und türkiser Populismus herhalten müssen.

Mit entsprechenden Verlautbarungen tun sich etliche türkise Ministerinnen und Minister hervor. Auffällig zuletzt in der Hinsicht ist Susanne Raab, Ministerin für Integration und Frauen. Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise war es ihr wichtig, zu verkünden, dass trotz Maskenpflicht das Schleierverbot aufrechtbleibe. Jetzt thematisiert sie plötzlich, dass in Wien über 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler aller Schulstufen eine nichtdeutsche Umgangssprache haben. Sie wollte das in einem Interview in der Krone rüberbringen, stieß aber auf eine Interviewerin, die kritische Nachfragen stellte. Zum Beispiel, dass das nichts darüber aussagt, ob die Betroffenen nicht trotzdem gut Deutsch sprechen.

Integrations- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP)
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Integration und Bildung ist ein Megathema. Von einer gelungenen bildungsmäßigen Integration hängen Wohlstand und sozialer Friede ab. Wenn daher 52,2 Prozent der Schülerinnen und Schüler (aller Schultypen) in Wien und 26,4 Prozent österreichweit im Schuljahr 2018/2019 eine nichtdeutsche Muttersprache hatten, dann ist das ein Thema (Quelle: Statistik Austria, soeben erschienen). Bei Volksschulen sind die Zahlen übrigens 58,9 (Wien) und 32,2 (Österreich).

Ein Thema allerdings, das von Raab recht eindimensional behandelt wurde. Sie beantwortete jede weiterführende Frage mit demselben Stehsatz: "Es gibt so viele Kinder mit Migrationshintergrund."

Ja, wissen wir. Schon länger. Aber da muss man mehr tun als mit Kampfbegriffen herumschmeißen wie Ministerin Raab: "Parallelgesellschaften", "Integrationspflicht, " Kürzungen der Sozialhilfe".

Es gibt Parallelgesellschaften. Es gibt Integrationsverweigerer. Es gibt junge Leute, die in der U-Bahn türkisch, serbisch, kroatisch, albanisch oder arabisch miteinander reden. Es gibt aber auch solche, die in der Schule und am Arbeitsplatz trotzdem tadelloses Deutsch sprechen.

Die grüne Ministerkollegin von Raab, die Justizministerin Alma Zadić, die als zehnjährige aus Bosnien gekommen ist, hat vermutlich mit ihren Eltern länger in ihrer Muttersprache geredet, tut es vielleicht heute noch. Es gibt eigene Deutschklassen, die integrationspolitisch diskussionswürdig sind.

Man muss über das ganze Thema intensiv und vor allem lösungsorientiert diskutieren. Nur soll man es nicht so tun wie die türkise Ministerin und die türkise Populismusmaschine, nämlich im Kontext von "das ist ja furchtbar" und "da müssen Sanktionen her". Und konzentriert auf Wien, wo jetzt der Wahlkampf beginnt.

Die "nichtdeutsche Umgangssprache" ist kein neues Phänomen. Laut Integrationsbericht 2015, verantwortet vom damaligen Außenminister Sebastian Kurz und seinem Experten Heinz Faßmann, hatten österreichweit schon 21 Prozent der SchülerInnen eine nichtdeutsche Umgangssprache.

Die Zahlen steigen also an. Das heißt nicht, dass die jungen Leute nicht Deutsch können. Es heißt nur, dass wir in einer Einwanderergesellschaft leben und nicht mit Populismus reagieren sollten. (Hans Rauscher, 13.6.2020)