Wem der Babyelefant eingefallen ist, lässt sich nicht mehr sagen. Freunde von Angela Stöger-Horwath vermuteten, als Maßeinheit in der Corona-Krise wäre er ihre Idee gewesen. Sie selbst kann das nicht bestätigen, die Vermutung lag aber nahe. Stöger-Horwath forscht seit Jahren an der Universität Wien dazu, wie Elefanten mittels Lauten kommunizieren. Die Zoologin steht am Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie dem Mammal Communication Lab vor, das weltweit am meisten darüber publiziert. So wies die Arbeitsgruppe unter anderem nach, dass Elefanten einander begrüßen und warnen, verschiedene Dialekte entwickeln und Laute nachahmen können.

Bild nicht mehr verfügbar.

EM 1995, Wiener Stadthalle: Angela Horwath erreicht im Solobewerb den elften Platz. Zwei Jahre später, bei der EM in Sevilla, schafft sie als Neunte ihr bestes Resultat.
Foto: HANS TECHT / APA / picturedesk.com

Nicht weltweit, aber immerhin landesweit führend und europäische Mittelklasse war Angela Horwath, Jahrgang 1976, schon in ihrer Jugend – im Synchronschwimmen. Neun Meistertitel sowie mehrere WM- und EM-Teilnahmen unterstreichen es, international ragt ein neunter Platz im Solobewerb der EM 1997 in Sevilla heraus.

Die Fittiche von Worisch

Horwath hatte zunächst geturnt und Ballett getanzt, aber Rückenprobleme bekommen. Auf ärztlichen Rat tauchte die Neunjährige sozusagen unter, unter den Fittichen ihrer Ballettlehrerin Eva Worisch blieb sie ohnedies. Worisch war über viele Jahre Cheftrainerin und der Motor der heimischen Synchronschwimmerei.

"Das Schwimmen zur Musik war ein Mittelding zwischen Turnen und Ballett", sagt Stöger-Horwath. Sie sieht auch Parallelen zwischen dem Spitzensport, den sie ausgeübt hat, und ihrem Beruf. "Man muss auch in der Forschung einen langen Atem haben, sehr hart arbeiten und Teamfähigkeit mitbringen. Und man muss kritikfähig sein. Jetzt hab ich keine Wertungsrichter, jetzt hab ich Gutachter. Mit ihnen stimme ich auch nicht immer überein."

Forscherinnen und Forscher werden an ihren Publikationen gemessen, die zunächst von der Kollegenschaft via Peer-Review überprüft und beurteilt werden. Auch diese Benotung, wenn man so will, ist nicht immer nachvollziehbar. Damit hat man zurechtzukommen. "Man wird gemessen", sagt Stöger-Horwath. "Und dann schärft man nach, überarbeitet alles noch einmal."

Angela Stöger-Horwath (43) mit einem Babyelefanten im Nairobi National Park. Die Wienerin will "die Lebenssituation der Tiere verbessern".
Foto: Mammal Communication Lab Honorarfrei

Abu und Mongu

Schwimmen und Studieren ging sich synchron nicht aus. Mit 21 kehrte Angela dem Sport den Rücken. Zoologie hat sie zunächst generell interessiert, auf Bioakustik spezialisierte sie sich. Die Elefanten ergaben sich zufällig, das Thema war ausgeschrieben, als Horwath ihre Masterarbeit anging. Just da, 2001, kam in Schönbrunn das erste Elefantenkalb zur Welt, mit dem sie zu tun haben sollte, Abu. Das zweite, Mongu, wurde 2003 geboren, als Horwath ihre Doktorarbeit anging. "Ich hab mich im Zoo wohlgefühlt", sagt sie. "Ich bin bei den Elefanten einfach pickengeblieben."

Zur beruflichen kam eine private Verbindung, Simon Stöger ist Tierpfleger in Schönbrunn. 2003 wurde geheiratet, die Tochter ist 15, der Sohn elf Jahre alt.

Im Jahr 2005 passierte im Elefantengehege in Schönbrunn ein schrecklicher Unfall, Abu fügte dem Chefpfleger tödliche Verletzungen zu. "Eine Riesentragödie", sagt Stöger-Horwath, deren Mann den Unfall aus unmittelbarer Nähe miterlebte. In der Folge wurden Sicherheitsauflagen in vielen Tiergärten verschärft, Abu wurde 2006 in den Zoo in Halle an der Saale übersiedelt.

"Sprechender" Elefant

Forschungsreisen haben Stöger-Horwath u. a. nach Botswana, Südafrika, Nepal und Südkorea geführt. Im Everland-Zoo in Yongin in Südkorea lebt ein Dickhäuter namens Koshik, der tatsächlich "sprechen" kann. Auch ihn hat Stöger-Horwath kennengelernt, Koshik sagt Hallo, Gut, Nein, Leg dich und Sitz, wenn auch natürlich nicht auf Deutsch. "Koreanisch kann er besser als ich." Koshiks Geheimnis, wenn man so will, ist die Tatsache, dass er jahrelang als Einzelgänger gehalten wurde, irgendwann begann er spontan, die Kommandos seiner Pfleger nachzuahmen.

Forschung zu Lauten von Kibali und Numbi im Tiergarten Schönbrunn.
Zoovienna Tiergarten Schönbrunn

Es gibt neben Menschen nicht viele Arten, die Laute imitieren können. Elefanten überraschen diesbezüglich vielleicht mehr als Papageien, Singvögel, Fledermäuse oder Meeressäugetiere. Besonders interessant sind auch die tieffrequenten Laute, die Elefanten fast permanent von sich geben. Diese "Rumbles" sind auf die Größe der Stimmbänder zurückzuführen, sie lassen sich mit speziellen Geräten aufnehmen und auch wiedergeben.

Diese Tatsache könnte künftig in Gebieten, in denen Menschen und Elefanten fast nebeneinander leben, genützt werden. Stöger-Horwath stellt sich eine Art Frühwarnsystem vor, das Menschen alarmiert, wenn Elefanten in der Nähe sind. Was die Menschen vor Unfällen schützt, würde im Gegenzug die Elefanten vor Verfolgung schützen. "Ich will die Lebenssituation der Tiere verbessern", sagt Stöger-Horwath. "Und mich interessiert, wie sich die Zootierhaltung entwickelt."

Beim Heurigen

Ein trauriger Anlass hat dazu geführt, dass Angela Stöger-Horwath ihre ehemaligen Teamkolleginnen wieder häufiger sieht. Seit dem Tod von Eva Worisch vor drei Jahren trifft man sich regelmäßig, beim Heurigen werden Geschichten von früher aufgewärmt, vielleicht wird bald einmal über Babyelefanten gesprochen. Und die Vermutung liegt nahe, dass auch dann, wie im Sport und in der Forschung, ein langer Atem gefragt sein könnte. (Fritz Neumann, 13.6.2020)