Bild nicht mehr verfügbar.

Das Burgerlokal beim Tatort in Atlanta wurde in Brand gesteckt.

Foto: REUTERS/Elijah Nouvelage

Bild nicht mehr verfügbar.

Der Moment, als der Beamte seine Dienstwaffe zog – auf Aufnahmen der Kamera im Einsatzwagen.

Foto: Atlanta Police Department via AP

In Atlanta wurde am Samstag erneut gegen Polizeigewalt demonstriert, nachdem ein 27-jähriger Schwarzer bei einem Polizeieinsatz ums Leben kam.

Foto: EPA / ERIK S. LESSER

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch in der Hauptstadt Washington D.C. zogen Tausende am Samstag durch die Straßen.

Foto: REUTERS/Michael A. McCoy

Die Filiale der Fastfoodkette Wendy's in Atlanta vor der Rayshard Brooks getötet wurde.

Foto: imago

Atlanta – Mitten in den Protesten gegen Rassismus ist erneut ein Afroamerikaner bei einem Polizeieinsatz in den USA gestorben. Ein Polizist schoss in Atlanta im Bundesstaat Georgia am Freitagabend auf den 27-jährigen Rayshard Brooks, der sich nach Angaben des Kriminalamts GBI seiner Festnahme widersetzt hatte. Der Mann erlag seinen Verletzungen im Krankenhaus. Die Obduktion ergab, dass Brooks an Organschäden und Blutverlust durch zwei Schussverletzungen im Rücken starb. Brooks' Tod wird daher als Tötungsdelikt eingestuft, teilte das Büro des zuständigen Gerichtsmediziners im US-Bundesstaat Georgia am Sonntagabend mit.

Nun will die Staatsanwaltschaft rasch über mögliche Anklagepunkte entscheiden. Zuvor sollten noch zwei Zeugen gehört werden, erklärte der Bezirksstaatsanwalt Paul Howard am Sonntag. Brooks scheine für niemanden eine Bedrohung dargestellt zu haben, sagte der Staatsanwalt auf CNN. "Die Tatsache, dass es bis zu seinem Tod eskaliert ist, erscheint einfach unangemessen." Möglich sei eine Anklage wegen Mordes oder fahrlässiger Tötung. Howard sagte laut der Lokalzeitung "Atlanta Journal-Constitution", seine Behörde werde bis Mitte der Woche entscheiden, ob gegen den Polizisten, der die tödlichen Schüsse abgefeuert haben soll, Anklage erhoben werde. Dieser wurde bereits am Samstag entlassen – dies hatte Bürgermeisterin Keisha Lance Bottoms gefordert.

Restaurant brannte

Der Tod des Mannes löste in Atlanta eine neue Protestwelle aus. Mindestens 36 Menschen wurden CNN-Angaben zufolge bei Protesten festgenommen. Atlantas Polizeichefin Erika Shields trat zurück.

Der Feuerwehr zufolge brannte in der Nacht auf Sonntag die Filliale des Fastfoodrestaurant Wendy's, vor dem er niedergeschossen worden war. "Das Restaurant steht voll in Brand und grenzt an eine Tankstelle. Keine Berichte von jemandem innerhalb des Gebäudes", twitterte die Feuerwehr.

Das GBI hatte erklärt, dass die Polizisten am Freitagabend zu dem Schnellrestaurant gerufen worden seien, weil dort ein Mann in der Autoschlange in einem Wagen eingeschlafen sei. Andere Fahrzeuge hätten an ihm vorbeifahren müssen. In der Folge habe Brooks, der in dem Auto saß, einen Alkoholtest nicht bestanden und sollte in Gewahrsam genommen werden. Dabei sei es zu einem Kampf gekommen, bei dem der Mann Zeugenaussagen zufolge einem Beamten seine Elektroschockpistole abgenommen habe.

Video soll veröffentlicht werden

Laut GBI-Chef Vic Reynolds war auf Videoaufnahmen zu sehen, dass Brooks vor den Beamten flüchte, sich dann mit dem Taser in der Hand zu ihnen umdrehte und der Polizist daraufhin seine Dienstwaffe zog. Es sei alles sehr schnell gegangen. Die Behörde wollte das Videomaterial veröffentlichen. Das GBI werde rasch alle Fakten sammeln und diese der Staatsanwaltschaft übermitteln. Parallel erklärte Staatsanwalt Paul Howard, seine Behörde habe bereits mit einer unabhängigen Untersuchung begonnen.

Reynolds warnte vor vorschnellen Schlüssen – und verwies auf die aufgeheizte Stimmung im Land. "Ich möchte nicht, dass irgendjemand unter irgendwelchen Umständen zu irgendeiner Form von Urteil eilt, was in diesen Fällen auf beiden Seiten sehr einfach ist", sagte er. Den Ermittlern sei bewusst, dass in solchen Fällen "enorme Gefühle" mit im Spiel seien und dies durch die derzeitige Situation verstärkt werde. Die Staatsanwaltschaft müsse beurteilen, ob es gerechtfertigt gewesen sei, dass der Polizist geschossen habe.

Vierfacher Familienvater

Der Polizeieinsatz gegen Brooks lässt sich nach Einschätzung des US-Senators Tim Scott weniger einfach bewerten als die Tötung des Afroamerikaners George Floyd. "Diese Situation ist sicherlich weitaus weniger klar als die, die wir mit George Floyd und mehreren anderen im Land gesehen haben", sagte der Republikaner am Sonntag dem Sender CBS News. Die Frage sei, was der Polizeibeamte hätte tun müssen, nachdem der Verdächtige eine Elektroschockpistole auf ihn gerichtet hatte.

Die Anwälte der Familie des Getöteten sagten, die beteiligten Polizisten hätten andere Optionen gehabt, als ihn niederzuschießen. Ein Taser sei keine tödliche Waffe. "Wenn der Beamte ein bisschen einfühlsamer und weniger ängstlich gewesen wäre, hätten wir wahrscheinlich keinen toten Mandanten zu beklagen", sagte der Anwalt Justin Miller. Bei Brooks handle es sich um einen vierfachen Familienvater. Am Samstag habe er den Geburtstag seiner kleinen Tochter feiern wollen.

Seit dem Tod von George Floyd Ende Mai in Minneapolis stehen Polizeigewalt und Rassismus im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte in den USA. Proteste reißen nicht ab – und wurden durch den Vorfall in Atlanta weiter befeuert. Am Wochenende gingen vielerorts Menschen auf die Straßen, etwa in der Hauptstadt Washington oder in Minneapolis.

Veränderte Fotos bei Fox News

Die "Seattle Times" berichtete unterdessen, dass der Fernsehsender Fox News – als Lieblingssender von Präsident Donald Trump bekannt – auf seiner Webseite im Zuge der Berichterstattung über die Proteste in der Großstadt Seattle digital veränderte und irreführende Fotos der dortigen Lage veröffentlicht habe. Beispielsweise sei in ein Foto eines zertrümmerten Schaufensters das Bild eines bewaffneten Mannes hineingeschnitten worden. Der Sender habe die Bilder mittlerweile entfernt, schrieb die "Seattle Times". Der Fotograf David Ryder bestätigte auf Twitter, dass seine Fotos manipuliert wurden.

Die Proteste in der Stadt an der Westküste hatten zuletzt zu Spannungen zwischen US-Präsident Donald Trump, Washingtons Gouverneur Jay Islee und Bürgermeisterin Jenny Durkan geführt. Trump drohte mit Blick auf eine von Demonstranten eingerichtete "autonome Zone" in der Stadt, einzugreifen, sollten die lokalen Regierungen die Situation nicht unter Kontrolle bekommen. Viele US-Medien berichteten von friedlicher Stimmung. Allerdings sei die Polizei in dem Gebiet nicht erwünscht.

Gedenken an Ende des Sklaverei

Unterdessen ist Trump wegen des Zeitpunkts und Orts seiner für kommenden Freitag geplanten ersten Wahlkampfveranstaltung seit mehr als drei Monaten in die Kritik geraten. Am Freitagabend kündigte er an, die Kundgebung um einen Tag auf Samstag zu verschieben.

Am ursprünglich geplanten Termin wird in den USA des Endes der Sklaverei gedacht. Die Veranstaltung sollte in Tulsa in Oklahoma stattfinden. Die Stadt war 1921 Schauplatz eines Massakers durch einen weißen Mob an der schwarzen Bevölkerung. Historiker werten dies als schlimmsten Zusammenstoß zwischen Weißen und Schwarzen in den USA nach dem Ende des Bürgerkriegs. Die demokratische Senatorin Kamala Harris hatte Trump angesichts der ursprünglichen Wahl des Datums und des Orts vorgeworfen, Rechtsradikale zu stärken.

Trump hat Floyds Tod mehrfach verurteilt und das Recht auf friedliche Demonstrationen betont. Ihm wird jedoch vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und nicht genug Verständnis für den Zorn über Diskriminierung und Ungerechtigkeit zu zeigen. Seine Entscheidung, am 19. Juni ausgerechnet in Tulsa aufzutreten, bestätigte seine Gegner. (APA, 14.6.2020)