Ein Auftritt Donald Trumps in West Point sorgt für Spekulationen.

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Washington – Gesundheitsfragen kommen im laufenden US-Wahlkampf immer wieder auf. Bisher hatten sich diese aber vor allem auf den wahrscheinlichen demokratischen Widersacher Donald Trumps, den 77-jährigen Joe Biden, konzentriert, der bei Reden immer wieder die falschen Worte wählt oder Personen verwechselt. Nun ist der Zustand des 74-jährigen Amtsinhabers selbst ins Zentrum geraten. Videos von einer Rede an der Militärakademie West Point zeigen Trump mit offenkundigen Bewegungsproblemen. In sozialen Medien gab es daraufhin eine Reihe von Fragen bezüglich der Verfassung des Präsidenten, aber auch eine ganze Menge Häme aufseiten seiner Gegner. Der Präsident selbst reagierte wenig später via Twitter und bot eine andere Erklärung an.

Die Videos, um die es geht, stammen von der Ansprache des US-Staatschefs vor den Absolventen des prestigereichen Militärlehrgangs. Die Rede wurde live im Fernsehen übertragen, erlangte aber vor allem durch ihre Wiedergabe in sozialen Medien Aufmerksamkeit. Besonders drei Ausschnitte sind es, die für Aufsehen sorgten. Zunächst ist zu sehen, wie Trump versucht, ein Wasserglas mit seiner rechten Hand zum Mund zu führen. Das gelingt ihm nicht, er nimmt dann seine linke Hand zu Hilfe, trinkt aber nicht, sondern stellt das Glas schließlich unverrichteter Dinge wieder ab. Später ist zu sehen, wie Trump über eine Rampe die Bühne verlässt. Er wird dabei eng von einem Soldaten begleitet und scheint Mühe zu haben, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Der Journalist Aaron Rupar hat auf Twitter zudem ein Video veröffentlicht, das Trumps schleppenden Textvortrag bei der Rede mit einem Ausschnitt von 2015 vergleicht, als der damalige Kandidat noch deutlich schneller sprach.

Trump selbst ist die Kritik nicht entgangen. Er schrieb wenig später auf Twitter, die Rampe, über die er die Bühne verlassen habe, sei "sehr lang und steil" gewesen und "vor allem äußerst rutschig". Er habe auf jeden Fall vermeiden wollen, vor den Augen der "Fake-News" hinzufallen. Zudem sei er die letzten zehn Fuß (drei Meter) hinuntergelaufen, das zeige "Momentum" – also einen Aufwärtstrend in Bezug auf seine Bewegungsfähigkeit. Tatsächlich sieht man Trump am Ende der Rampe etwas schneller gehen – drei Meter dauert sein Sprint aber nicht.

Während US-Medien sich trotz des Videos kaum an das schwierige Thema des Trump'schen Gesundheitszustands heranwagten, schossen in sozialen Medien die unwissenschaftlichen Ferndiagnosen ins Kraut. Trump habe nicht die volle Bewegungsfähigkeit auf seiner rechten Körperhälfte, lautete ein Verdacht vieler User, die an einen unerklärten und plötzlichen Spitalbesuch Ende November 2019 erinnerten. Womöglich habe Trump einen Schlaganfall erlitten. Andere wärmten Gerüchte über eine Demenzerkrankung auf. Zu diesen Anmerkungen gesellte sich jede Menge Häme, die auch von manchen Gegnern Trumps kritisiert wurde.

Eine Frage der Moral

Manche Gegner des Präsidenten argumentierten, Spaß über Trumps Probleme sei zu rechtfertigen: Immerhin streue die Kampagne des Präsidenten selbst bewusst Gerüchte über den Zustand Bidens. Außerdem nehme Trump ja auch in seinen Äußerungen nie Rücksicht auf den Zustand seiner Gegner. Erst vor wenigen Tagen hatte er etwa getwittert, ein von der Polizei schwer verletzter 74-jähriger Demonstrant in Buffalo sei womöglich ein "Provokateur" gewesen, und angedeutet, dieser habe seine Verletzung durch theatralisches Fallen selbst verursacht.

Man könne sich ein Ende der Amtszeit des Präsidenten wünschen, ohne sich über mögliche gesundheitliche Probleme eines 74-Jährigen lustig zu machen und zu mokieren, lautete daran wiederum die Kritik anderer Gegner Trumps. Und was die Gerüchte über Biden in Trumps Kampagne betreffe: Ja, die gebe es. Aber man könne daran schwerlich Kritik üben, wenn man es mit der Moral nun selbst nicht so genau nehme.

200 Jahre Trump

Über Trumps tatsächlichen Zustand ist wenig bekannt. In den vergangenen Wochen hatte er selbst bekanntgegeben, dass er sich mit dem Mittel Hydroxychloroquin gegen das Coronavirus schütze. Dessen Wirksamkeit gegen Covid-19 gilt als umstritten, es hat aber zahlreiche Nebenwirkungen. Resultate einer Untersuchung im Jänner 2018 hatten laut dem damaligen Leibarzt Trumps, Ronny Jackson, gezeigt, dass Trump "unglaublich gute Gene" habe. Jackson fügte – offenbar im Scherz – an, dass Trump "200 Jahre alt werden könnte, wenn er sich gesünder ernähren würde". Zudem habe der Präsident bei einem Gehirntest – bei dem etwa rückwärts gezählt wird oder Tiere wie Löwen oder Kamele korrekt erkannt werden müssen – 30 von 30 Punkten erreicht.

Trump nominierte Jackson wenig später zum Minister für Veteranen-Angelegenheiten. Dieser musste seine Bewerbung aber zurückziehen, nachdem Vorwürfe bekanntgeworden waren, dass er unter Alkohol- und Drogeneinfluss einen Autounfall verursacht hatte.

Eine weitere Untersuchung im Jänner 2019 stellte eine "sehr gute Gesundheit" Trumps fest. Allerdings liege sein Gewicht nun bei 110 Kilo, was seinen Body-Mass-Index über 30 steigen lasse und damit eine klinische Adipositas anzeige. Bei Jacksons Untersuchung im Jahr zuvor war Trump noch einige Gramm unter dem dafür nötigen Wert gelegen. (Manuel Escher, 14.6.2020)