Nicht zu viel Mund-Nasen-Schutz tragen, findet Dirigent Riccardo Muti (hier 2018) in Hinblick auf den benötigten Sauerstoff.

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Eine empirische Erhebung, ob das Publikum die Musikerinnen und Musiker in den vergangenen Monaten mehr vermisst habe als umgekehrt, existiert noch nicht. Doch wollte Riccardo Muti das Podium des Musikvereins nach der gestrigen Matinee nicht verlassen, ohne über die aktuelle Situation zu sinnieren.

Seine Mahnung an die Politik, in Zeiten der wirtschaftlichen Krise nicht auf die Kultur zu vergessen, erntete ebenso Applaus wie die Feststellung, ein Orchester sei die Urform der Demokratie. Die Empfehlung, man solle nicht zu viel Mund-Nasen-Schutz tragen, um genügend Sauerstoff zu bekommen, untermauerte er, indem er selbst als Einziger im Saal darauf verzichtete. Ansonsten knüpfte er mit den Wiener Philharmonikern nahtlos an die Prä-Corona-Tradition an.

Beherzt und brillant

Etwa beim Frühlingsstimmen-Walzer von Johann Strauß Sohn mit prachtvollem Schwung, der vor allem vom Orchester kam. Der Dirigent war mit Freude dabei, während sich die musikalische Kommunikation so darstellte, dass seine Gesten andeuteten, was das Orchester ohnehin von sich aus zum Ausdruck brachte, während es anderes – etwa die Aufforderung zu dynamischer Zurücknahme – weniger befolgte. Dennoch war dieser Strauß beherzt und brillant musiziert: eine freundliche Erinnerung an das Neujahrskonzert 2021, das Muti zum sechsten Mal leiten soll.

Zuvor vertrauten Orchester und Dirigent bei der c-Moll-Symphonie von Franz Schubert (Tragische) allerdings blindlings auf ihre Routine. Ihr Beiname erhielt allenfalls dadurch Berechtigung, dass sie auf fatale Weise dröge und unverbindlich abgespult wurde – und so, als ob die übliche Akustik mit vollem Saal gegeben wäre. So verhallten die wenigen weichgespülten Konturen irgendwo im vergrößerten Sicherheitsabstand. Was blieb, waren ein paar schöne Stellen und Behaglichkeit. (Daniel Ender, 15.6.2020)