Pop-Art auf Katholisch: Corita Kent verknüpfte in knalligen Siebdrucken Markenlogos und Theologie mit gesellschaftspolitischen Anliegen. Hier: "american sampler" (1969).

Arthur Evans

Das Wort Gottes im Toaster, Jungfrau Maria im Supermarkt: Als in den frühen 1960er-Jahren eine Ordensschwester des Immaculate-Heart-of-Mary-Ordens in Los Angeles damit begann, Markenlogos und Theologie, Alltagsästhetik und Eucharistie in farbintensiven Siebdrucken miteinander zu verknüpfen und das Ganze dann auch noch in den Kontext von Antikriegsbewegung oder Welthunger zu stellen, war man im zutiefst konservativen Erzbistum von L.A. alles andere als amused.

Zwischen Erzbischof und Ordensgemeinschaft kam es immer wieder zu Konflikten, sie entzündeten sich oftmals am Wirken von Sister Mary Corita Kent, die am ordenseigenen College Kunst lehrte. Und von weltlicher Seite viel staunenden Beifall erhielt. 1967 war die "Nonne auf dem Weg in die Moderne" in vollem Habit auf dem Cover der Newsweek zu sehen, die New Yorker Morris Gallery zeigte regelmäßig Ausstellungen ihrer Arbeiten, sie selbst unterhielt Kontakte zu Leuten wie Buckminster Fuller oder Charles und Ray Eames, ihre Werke befinden sich heute in den Sammlungen großer amerikanischer Museen von MoMA bis Whitney.

Label religiöse Kunst

Sister Corita ist nicht nur ihres Beinamens "Pop-Art-Nonne" wegen eine singuläre Erscheinung der späten Moderne in den USA. Das Label religiöse Kunst wäre viel zu kurz gegriffen für die fröhliche Vehemenz, mit der sie christliche Werte an gesellschaftspolitischen Fragen und an den aktuellsten visuellen Strömungen ihrer Zeit gemessen hat. Mit ihren Serigrafien, in die sie Zitate aus Literatur, Popkultur und Religion ebenso integrierte wie Fotografien aus Massenmedien gilt sie nicht zu Unrecht auch als eine Wegbereiterin der Pictures Generation.

Man könne von Corita Kent einiges über katholischen Aktivismus lernen, sagt Nina Tabassomi, Direktorin der Kunsthalle im Innsbrucker Taxispalais. Auch deshalb habe sie sie gerade in Tirol zeigen wollen. Die feministischen Anklänge im Werk von Sister Corita sind im Land der "Luder"-Sager aber auch sehr willkommen.

Bedeutungsordnungen

Corita Kent: Joyful Revolutionary heißt die sehenswerte Innsbrucker Schau, an in satten Primärfarben gestrichenen Wänden trifft man da etwa auf eine Zirkus-Alphabet-Serie aus 26 Siebdrucken. Das wirkt zunächst einmal wie interessantes Grafikdesign, aber je mehr man sich darein vertieft, desto vielschichtiger erscheint es auch auf inhaltlicher Ebene. Die handschriftlich eingefügten Zitate unter anderem von Camus, Thoreau, Dewey und Cummings wurden dankenswerterweise ins Begleitheft transkribiert. Die Künstlerin spielt mit Bedeutungsordnungen und Referenzen, verwebt visuelle und typografische Quellen, schält aus "Assassination" die Wörter "Sin" und "Nation" heraus: american sampler stammt aus dem Jahr 1969 und zitiert die Farben der amerikanischen Flagge und verweist direkt auf Vietnam.

Geboren wurde Corita Kent 1918 in Iowa, mit 18 trat sie dem Orden bei, um ihn gut dreißig Jahre später wohl auch wegen der anhaltenden Konflikte mit der Amtskirche und des ihr zur Last gewordenen Status als Celebrity wieder zu verlassen. Sie starb 1986. Die Rezeption ihres vom Corita Art Center der Immaculate Heart Community verwalteten Werks war schon damals eher bescheiden geworden. Eine Wiederentdeckung setzte erst rund zwanzig Jahre später ein.

Im Taxispalais konzentriert man sich auf das Schaffen der 1960er-Jahre, in denen Sister Corita zunehmend politisch wurde und sich für soziale Gerechtigkeit, Frieden sowie die Bürgerrechts- und die Anti-Vietnamkriegs-Bewegung einsetzte. Auch reichlich Archivmaterial gibt Einblick in die Welt der Ordensschwester, die mit ihrer Kunst zur Brüderlichkeit aufrief.

Alltags- und Konsumkultur

Frühe Form- und Wortbilder versuchen sich dagegen noch allzu lieblich am spirituellen Appell. Als Kent 1962 mit einer Gruppe ihrer Studenten Andy Warhols "Campbell’s Soup Cans"-Schau in der Ferus Gallery in Los Angeles besuchte, erschloss sich auch für sie die Alltags- und Konsumkultur als schier unerschöpfliche Materialquelle, vor allem aber auch als Reibungsfläche für religiöse wie politische Themen. Sie bearbeitete sie in ihrer eigenen Art von Factory im College-Atelier, in das man durch zwei Dokumentarfilme Einblick erhält. Der Überlieferung nach soll übrigens auch Warhol ein erklärter Fan von Sister Corita gewesen sein. (Ivona Jelcic, 15.6.2020)