In China werden wegen Corona wieder Gebiete abgeriegelt.

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Die Meldungen aus Peking erinnern auf erschreckende Weise an die Ereignisse in Wuhan vor fünf Monaten. Denn wieder ist es ein Markt, auf dem das Corona-Virus ausbricht. Am Montag berichtete die Pekinger Gesundheitskommission von landesweit 49 neuen Infektionen, darunter 10 "importierte" Fälle mit Sars-CoV-2 bei Reisenden und 39 lokale Ansteckungen. Von den im Inland übertragenen Fällen wurden 36 in Peking und drei in der benachbarten Provinz Hebei registriert, die alle mit dem Coronavirus-Ausbruch auf dem Großmarkt in Peking in Verbindung gebracht wurden.

Die Zahl erscheint lächerlich gering angesichts der tausenden von Toten in Brasilien, den USA und Großbritannien. Allerdings hat die chinesische Regierung die Messlatte an sich selbst hoch gehängt.

Seit Monaten bekämpft die kommunistische Partei das Virus so entschlossen und rigoros wie kaum ein anderes Land der Welt. Schon wenige Fallzahlen genügten bisher, um Millionenstädte von der Außenwelt abzuschneiden. Zuletzt geschehen war das in der nordchinesischen Provinz Jilin und Heilongjiang. In Wuhan, wo die Pandemie vor knapp einem halben Jahr ihren Ursprung genommen hatte, wurden kürzlich sogar alle elf Millionen Einwohner zum Corona-Test gebeten.

Virusfreies Prestigeobjekt

Stets aber hatte vor allem der Schutz der Hauptstadt in den vergangenen Monaten oberste Priorität. Schon im März hatten die Behörden damit begonnen, einen "Cordon Sanitaire" um Peking zu legen. Flüge nach dorthin wurden in Provinzflughäfen wie Tianjin umgeleitet. Passagierinnen und Passagiere mussten sich dort einem Corona-Test unterziehen und sich anschließend in zwei Wochen strenge Quarantäne begeben, bevor sie die Hauptstadt betreten durften. Peking virusfrei zu halten ist zum Prestigeprojekt der Führung geworden.

Die Tatsache, dass der Nationale Volkskongress mit zwei Monaten Verspätung Ende Mai in Peking stattfand, war für die chinesische Führung auch der sichtbare Beweis für den Erfolg der Strategie. In der Hauptstadt waren 55 Tagen lang keine Neuinfektion mehr gemeldet worden. Überhaupt, so zumindest das Narrativ der Regierung, sind es in den vergangenen Wochen wenn, dann Reisende aus dem Ausland gewesen, die das Virus (zurück)importierten.

10.000 Marktarbeiter getestet

Umso erschreckender ist es nun, dass der größte Ausbruch seit Monaten ausgerechnet dort, in Peking, stattfindet. Der 112 Hektar große Xinfadi-Markt liegt im Süden der Stadt. Rund 10.000 Menschen arbeiten dort. 90 Prozent des Gemüse- und Obstbedarfs der Stadt werden dort gehandelt. Am Samstag wurden der Markt und angrenzende Gebiete weitgehend abgeriegelt – und zwar von bewaffneter Polizei. Auch umliegende Märkte wurden geschlossen. Alle Angestellten des Marktes sollen in den kommenden Tagen auf das Virus getestet werden. Die Bewohner Pekings befürchten nun weitere einschneidende Folgen: Die soeben wieder geöffneten Schulen sollen am Montag in der Nähe des Marktes schon wieder schließen. Sportevents und Besuche inländischer Touristengruppen wurden in der gesamten Stadt abgesagt. Von Reisen wurde abgeraten.

Am Montag wurden zehn weitere Stadtviertel abgeriegelt. Wie ein Vertreter der Stadtverwaltung mitteilte, wurden mehrere neue Infektionsfälle auf einen anderen Großhandelsmarkt im nordwestlichen Bezirk Haidian zurückgeführt. Der Markt und nahe gelegene Schulen wurden geschlossen, die zehn umliegenden Viertel unter Quarantäne gestellt.

Zum südlichen Xinfadi-Markt, von wo aus sich das Virus diesmal verbreitet hat, machten die Behörden folgende Angaben: Das Virus stamme von einem Schneidebrett, auf dem Lachs geschnitten wurde. Lachs findet in der chinesischen Küche eigentlich kaum Anwendung. Das wenige, das verarbeitet wird, wird importiert. Zumindest das passt wieder gut ins Narrativ der Regierung: Es waren Ausländer, die das Virus nach China brachten, in diesem Fall ausländische Fische. Wer das Schneidbrett angehustet hat, bleibt offen.

Trotzdem gibt es bereits personelle Konsequenzen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag berichtete, mussten Zhou Yuqing, der stellvertretende Leiter der Bezirksregierung im Stadtteil Fengtai, und Wang Hua, Parteisekretär der Gemeinde Huaxiang in Fengtai, wegen Fehlverhaltens im Amt ihre Posten räumen.Auch Zhang Yuelin, der Generaldirektor des Xinfadi-Großhandelsmarktes, wurde entlassen. (Philipp Mattheis, red, 14.6.2020)