Autofahren muss (noch) ungemütlicher werden.

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Was hat die Regierung der Bevölkerung in den vergangenen Monaten nicht alles zugemutet: Ausgangsbeschränkungen, Stilllegung des Kulturbetriebs, schmerzhafte Einschnitte für die Wirtschaft. Nun entspannt sich die Corona-Situation in Österreich allmählich, und der Gedanke liegt nahe, dass die Politik für Komfort sorgen sollte. Doch dieser Gedanke ist falsch.

Die Corona-Krise kam überraschend, sie schlug stark und verheerend ein – und sie ist hoffentlich spätestens in ein paar Jahren überwunden. Da unterscheidet sie sich von der Klimakrise: Von dieser wissen wir seit Jahrzehnten, wir wissen, was gegen sie zu tun ist – und ihre Folgen sind potenziell noch viel langanhaltender und zerstörerischer als jene der Covid-Pandemie. Wer sich wegen des Virus um ältere Verwandte gesorgt hat, den sollte die Aussicht auf tödliche Hitzewellen ebenfalls beunruhigen.

Gemeinsame Kraftanstrengung

Die Politik ist also gefordert, Mut zu zeigen. Und zwar gerade jetzt, da sich das Land noch im Ausnahmezustand befindet. Jetzt, da vermeintlich Unmögliches einfach umgesetzt wurde und man sich von Dogmen wie etwa dem Nulldefizit längst verabschiedet hat. Denn die große Mehrheit der Menschen, die in Österreich leben, hat bewiesen, dass sie in einer gemeinsamen Kraftanstrengung bereit ist, solidarisch zu sein und Einschnitte hinzunehmen. Nun muss die Regierung nur zeigen, dass sie nicht weniger engagiert ist als ihre Wähler.

Wie gut, dass sie bei ihrer Regierungsklausur in dieser Woche Gelegenheit dazu hat. Es wäre ein Fehler, jetzt den Krisenbewältigungsmodus zu verlassen. Der Leitspruch "Koste es, was es wolle" muss auch für den Klimaschutz gelten. Das bedeutet in vielen Fällen, dass bestehende Vorhaben aus dem türkis-grünen Regierungsprogramm verstärkt oder vorgezogen werden – womit nebenbei oft auch der Standort gestärkt würde. Würde der verpflichtende Austausch alter Ölheizungen etwa schon im nächsten Jahr geschehen und nicht erst – wie geplant – 2025, wäre das auch ein Impuls für den Arbeitsmarkt.

Tiefe Einschnitte

Doch nicht alle Maßnahmen für den Klimaschutz ergeben eine Win-win-Situation. Verkehrspolitisch ist etwa klar, dass Autofahren weniger gemütlich werden muss. Kurzsichtig gedacht wird das für weite Teile der türkisen Klientel schmerzhaft. Doch selbst wer im Kanzleramt rein taktisch denkt, wird erkennen, dass auch die Corona-Maßnahmen der Popularität der Volkspartei nicht geschadet haben – im Gegenteil. Dem strengen Vater, als der sich Sebastian Kurz inszeniert, verzeihen seine Anhänger auch tiefe Einschnitte, solange er ihre Notwendigkeit gut erklärt.

Auf der anderen Seite haben die Grünen nun die Chance, den ökologischen Schwerpunkt der Regierungsarbeit konsequenter durchzusetzen. Viele ihrer Inhalte (Stichwort ökologische Steuerreform) sollten ja nur verzögert umgesetzt werden – und das, obwohl die Zeit drängt. Für die Partei von Vizekanzler Werner Kogler ist jetzt der günstigste Zeitpunkt, um sich auch mit deren umweltpolitischer Expertise ein- und wichtige Vorhaben durchzubringen. Lassen die Grünen diese Gelegenheit verstreichen, müssen sie sich die Frage stellen, ob die Regierungsbeteiligung die geschlossenen Kompromisse wert ist.

Die Menschen in Österreich haben gezeigt, dass sie eine Krise bewältigen können. Jetzt müssen ihre Politiker ihnen das ein zweites Mal zutrauen. (Sebastian Fellner, 14.6.2020)