In Deutschland wird über die Streichung des Begriffs "Rasse" aus dem Grundgesetz debattiert.

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Berlin – In Deutschland wird über die Streichung des Begriffs "Rasse" aus dem Grundgesetz debattiert. Bei Politikern der Union stößt eine entsprechende Grünen-Forderung auf Skepsis und Ablehnung. Eine solche Streichung sei "eher Symbolpolitik und bringt uns in der Sache keinen Schritt weiter", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

CSU-Vertreterin sieht "Scheindebatte"

Die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), hält die Forderung für "eine eher hilflose Scheindebatte". Eine Streichung des Begriffs könne zudem die Rechtsprechung erschweren. "Ohne einen entsprechenden Rechtsbegriff, der auch völkerrechtlich verankert ist, könnte Rassismus juristisch noch schwieriger zu greifen sein."

Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte der Zeitung, den Kampf gegen Rassismus werde "die sprachliche Überarbeitung" des Grundgesetzes "nicht voranbringen". Eine Aktualisierung sei nicht notwendig. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) plädierte dafür, eine Änderung des Grundgesetzes "sehr sorgfältig" zu prüfen. Wichtiger sei "eine umfassende gesellschaftliche Debatte, wie wir dem Rassismus entschieden entgegentreten". Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), betonte, dass er sich lieber engagiere statt sich um "solchen Theoriekram" zu kümmern.

Grüne wollen "Rassismus verlernen"

Grünen-Chef Robert Habeck und die grüne Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteiner Landtags, Aminata Touré, hatten zur Begründung ihrer Forderung in der "Tageszeitung" erklärt: "Es ist Zeit, dass wir Rassismus verlernen." Der Begriff manifestiere eine Unterteilung von Menschen in Kategorien, die Anspruch und Geist des Grundgesetzes widersprächen: "Es gibt eben keine 'Rassen'. Es gibt Menschen."

Merkel für Debatte offen

Konkret geht es um Artikel 3 Absatz 3 des deutschen Grundgesetzes. Dort heißt es: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."

FDP, Linke und SPD hatten sich offen für die Forderung gezeigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ am Freitag mitteilen, sie sei "für diese Debatte offen". Auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) signalisierte Gesprächsbereitschaft: "Ich versperre mich da nicht". Wichtiger sei für ihn aber die Eindämmung von Rassismus in der Praxis.

Missstände in der Polizei

Weiter diskutiert wird auch die Äußerung von SPD-Chefin Saskia Esken über "latenten Rassismus" bei der Polizei – und vor allem die Reaktionen darauf. Sie finde es "krass, dass es so schwer ist, eine kritische Diskussion über Rassismus in der Polizei zu führen", sagte die Grünen-Politikerin Touré dem "Tagesspiegel am Sonntag". Wenn die Innenminister der Länder diese Debatte nicht selbstkritisch führten, "ignorieren sie nicht nur die Erfahrungen von vielen Menschen mit Migrationsgeschichte, sondern tun auch der Gesellschaft keinen Gefallen".

Der schwarze SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Halle meinte, Missstände, die es auch in der Polizei gebe, müssten benannt werden. (APA, dpa, 14.6.2020)