DEUTSCHLAND

Deutschlands Corona-App kommt.
Foto: EPA / Steinbach

Eigentlich wollte die Bundesregierung ihre Contact-Tracing-App schon Mitte April präsentieren, also auf dem Höhepunkt der Pandemie. Was folgte, war Streit: Was passiert mit den Daten, die von der App erhoben werden, wo werden sie gespeichert? Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte eine zentrale Speicherung vorgeschlagen, daraus wird nach einem Aufschrei von Datenschützern nun nichts. Die "Corona-Warn-App", die vergangene Woche vorgestellt wurde, erkennt per Bluetooth-Signal, wie weit – oder wie nahe – Mobiltelefone voneinander entfernt sind. Anonymität soll durch Kurzzeit-Identifikationsnummern gewährleistet werden. Spahn erhofft sich "mehrere Millionen" Nutzer, Experten halten dies für zu optimistisch.

SINGAPUR

In Singapur greifen Ausgeverbote und Lockerungen ineinander.
Foto: EPA / How Hwee Young

Der autoritär geführte Stadtstaat in Südasien gehörte zu den Ersten, die eine Corona-App auf den Markt gebracht haben. Rund 1,4 der knapp 5,7 Millionen Bewohner des dichtbesiedelten Kleinstaats haben das Programm "TraceTogether" seit dem Start am 20. März auf ihr Smartphone geladen. Nach starkem Beginn gingen die Downloads rasch zurück. Auch das Singapurer Modell funktioniert auf Basis der Bluetooth-Signale. Wer einem Infizierten zu nahe kommt, wird dem Gesundheitsministerium gemeldet und muss diesem dann Auskunft über seine Kontakte erteilen. Eine neue App soll künftig verpflichtend sein, sobald man Geschäfte oder Büros betritt. Geplant ist derzeit auch ein eigenes Gerät, das ganz ohne Smartphone funktioniert.

ITALIEN

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Venedig ist wieder für Besucher geöffnet.
Foto: Reuters / Manuel Silvestri

In dem von Covid-19 besonders heimgesuchten Italien soll seit 1. Juni die App "Immuni" eine zweite Welle verhindern. Vorerst wird das Programm, das ebenfalls per Bluetooth funktioniert, in vier Regionen getestet, bevor es im ganzen Land ausgerollt wird. Befindet man sich in der Nähe eines Infizierten, ruft die App zur Isolation auf und rät zu einem Covid-19-Test. Bedenken von Datenschützern begegnete Premier Giuseppe Conte damit, dass die persönlichen Daten der Nutzer nicht gesammelt und ihre Standorte nicht erfasst werden. Spätestens am 31. Dezember sollen zudem alle Daten wieder gelöscht werden. In Umfragen erklärten sich nur 44 Prozent der Befragten bereit, die App auf ihr Smartphone zu laden.

ISRAEL

In Israel demonstrierten Angestellte gegen magere Corona-Hilfen.
Foto: APA / AFP / Jack Guez

Israel, das zu Beginn der Corona-Krise besonders rasch und einschneidend auf die Bedrohung reagiert hatte, zog wegen ansteigenden Infektionszahlen vergangene Woche die Notbremse. Lockerungen werden verschoben. Israels Höchstgericht schob Plänen, die Handys von Erkrankten dauerhaft vom Geheimdienst Schin Bet überwachen zu lassen, einen Riegel vor. Anfangs hatte die Regierung diesen per Notverordnung eingesetzt. Dabei machte das kleine Land durchaus gute Erfahrungen mit seiner App "HaMagen" ("Der Schutzschild"). Jeder vierte Smartphone-Besitzer hatte die App, die über WLAN- und GPS-Daten funktioniert, bis April heruntergeladen. Kritiker orten jedoch zu viele Fehlalarme.

FRANKREICH

Frankreichs Regierung informiert.
Foto: APA / AFP / Sebastian Bozon

In Frankreich, einem weiteren Corona-Hotspot in Europa, hat die Regierung von Präsident Emmanuel Macron ein erstes Fazit über die neue Warn-App "StopCovid" gezogen – und ist durchaus zufrieden. Mehr als eine Million Menschen haben in den ersten Tagen die App heruntergeladen. Um wirksam zu sein, brauche es aber mehrere Millionen. Zwar basiert auch die französische App auf Bluetooth, anders als in Österreich werden die Daten dort aber zentral gespeichert. Weil man sich nicht auf eine Zusammenarbeit mit Großunternehmen wie Apple oder Google einigen konnte, gibt es Probleme bei iPhone-Nutzern: Nur wenn die App aktiv aufgerufen wird, kann sie Bluetooth-Signale empfangen und senden.

SÜDKOREA

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Stolz, aber auch Vorsicht in Südkorea.
Foto: AP / Ahn Young Joon

Südkorea, heißt es, habe die Privatsphäre seiner Bürger beschnitten, um deren Bewegungsfreiheit zu maximieren. Was anderswo als "Big Brother" gilt, hält man in Seoul für den besten Weg, mit der Pandemie fertigzuwerden. Mittels eines Tracing-Systems des Telefonanbieters KT wird genau geortet, wer sich wann wo aufgehalten hat. Im Verdachtsfall erhalten alle Menschen im Umkreis eine SMS. Die App "Corona 100m" warnt, wenn man sich einem Ort nähert, an dem ein Infizierter war. Andere Apps überwachen, ob die Heimquarantäne auch eingehalten wird; Kameras und Kreditkartendaten helfen den Behörden dabei. Und auch bei der Einreise ist eine eigene App nötig, die regelmäßig die Gesundheitsdaten des Nutzers durchleuchtet.

INDIEN

Indien verpflichtet zur App.
Foto: AFP / Narinder Nanu

Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern ist die indische Variante der Corona-App nicht freiwillig, sondern verpflichtend, jedenfalls für Beamte und Angestellte im Privatsektor. Auch manche Städte machten die App zur Pflicht. "Aarogya Setu", Sanskrit für "Brücke zur Gesundheit", wurde vom indischen IT-Ministerium entwickelt und funktioniert über Bluetooth und die Ortsdaten des Smartphones. Während Premierminister Narendra Modi offensiv für die App wirbt, äußert die Opposition Zweifel, ob die Regierung sie zur Pflicht erklären kann. Zwar gibt die App weder Name noch Telefonnummer an die Regierung weiter, wie es heißt, wohl aber Reisetätigkeit, das Geschlecht sowie ob man Raucher ist oder nicht.

GROSSBRITANNIEN

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Verhüllungs- und Abstandsgebote in London.
Foto: Reuters / Hannah McKay

Seit Mai wird auf der Isle of Wight vor der Südküste Englands die "NHS-Covid-19"-App getestet. Die Regierung von Boris Johnson – der zwischenzeitlich wegen einer Covid-19-Infektion selbst auf der Intensivstation war – will damit eine zweite Welle verhindern. Ähnlich programmiert wie jene in Deutschland, soll die App im Juli im ganzen Land verfügbar sein. Allerdings, wie der Guardian berichtete, bis Herbst wohl nur in einer abgespeckten Version. Der Pilotversuch ergab zudem, dass die meisten Bewohner doch lieber von einem Menschen vor einer Infektion gewarnt werden als von einer App. 25.000 "track-and-tracers" wurden deshalb laut der Regierung in den vergangenen Wochen eingestellt.

ISLAND

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Auch Island setzt auf eine App.
Foto: AP / Egill Bjarnason

Island, das ganz zu Beginn der Berichterstattung über den Corona-Hotspot Ischgl im Fokus stand, zählt zu den Ländern mit dem höchsten Anteil von Warn-App-Nutzern. "Rakning C-19", von einer Reykjavíker Softwarefirma entwickelt, sammelt GPS-Daten und speichert sie auf dem Smartphone. 40 Prozent der 364.000 Isländer haben sie auf ihre Telefone geladen. Im Verdachtsfall werden sie dann von der Gesundheitsbehörde gebeten, die Standortdaten für die Ermittlung von Kontakten weiterzugeben. Entscheidenden Anteil an der Bekämpfung schreiben Experten der App aber nicht zu. Derzeit ist eine neue App in Arbeit, die so wie in Mitteleuropa auf Bluetooth-Technologie basiert. (Florian Niederndorfer, 14.6.2020)