Das Coronavirus hat erstaunliche mediale Nebenwirkungen. Wer hätte noch Anfang 2020 darauf gewettet, dass Fernsehen nach Jahren steter Rückgänge und Abgesänge deutlich (und schlagartig) als Informationsquelle an Bedeutung zulegt? Die Pandemie und die Maßnahmen der Regierungen gegen sie ließen Interesse und Nutzung nach oben schnellen, zeigt – wie schon die Quoten – der in der neue Digital News Report (DNR).

Dabei hatte diese größte über Jahre kontinuierlich durchgeführte globale Umfrage über Nachrichtennutzung, Journalismus und Medien die Lockdowns um den Erdball gerade verpasst: Das Meinungsforschungsinstitut Yougov führte die Umfrage mit mehr als 80.000 Online-Interviewten ab 18 Jahren in 40 Staaten wie in den vergangenen Jahren Ende Jänner, Anfang Februar durch, kurz bevor Covid-19 in den meisten Ländern richtig und bekanntermaßen virulent wurde.

Das Reuters Institute for the Study of Journalism ließ Yougov deshalb im April 2020 noch einmal je 2000 Menschen in Deutschland und Großbritannien sowie je 1000 in den USA, Spanien, Argentinien und Südkorea zu ihrer Mediennutzung, ihren Informationsquellen, ihrem Vertrauen in diese Quellen befragen.

Comeback der TV-Info

Grafik: STANDARD/Eva Schuster

In diesen sechs Ländern legte Fernsehen als Informationsquelle um fünf Prozentpunkte zu (Online um zwei, Social Media ebenfalls um fünf). In Deutschland etwa liegt TV damit wieder knapp vor Onlinemedien. Auf die Frage nach der Hauptinformationsquelle fielen die Verschiebungen von Online zu TV zwischen Jänner und April 2020 noch drastischer aus: Zwölf Prozentpunkte wanderten in der Zeit im Schnitt von Onlineinfos zu TV, in Großbritannien 20, bei jungen Menschen unter 35 Jahren sogar 25 Prozent. Ziemlich sicher ein vorübergehender Effekt, betont Nic Newman, federführend für den DNR zuständig beim Reuters Institute.

In Österreich wurde auch vor dem Corona-Shutdown das Fernsehen stets als Hauptinformationsquelle genannt. Schon die Befragung Ende Jänner / Anfang Februar zeigte im Jahresvergleich einen leichten Anstieg bei TV (auf 32 Prozent der rund 2000 Befragten hier) und einen deutlichen Sprung bei Radionachrichten von rund zwölf auf 16 Prozent.

Virales Vertrauen

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60 Prozent erklärten in der April-Nachbefragung, Medien hätten ihnen geholfen, die Corona-Krise zu verstehen. Für 65 Prozent im Sechs-Länder-Schnitt haben sie klar gemacht, was der oder die Einzelne tun kann. Und relativ geringe 32 Prozent fanden die Berichterstattung übertrieben.

59 Prozent in Großbritannien, Deutschland, USA, Spanien, Argentinien und Südkorea vertrauen Medien als Informationsquelle zu Corona, gleichauf mit Regierungen und deutlich mehr als "einzelnen Politikern" (35 Prozent). Höhere Vertrauenswerte haben hier nur Wissenschafter und Ärzte (83 Prozent), nationale (76) und internationale (73) Gesundheitsorganisationen. "Das Coronavirus erinnert die Menschen an den Wert traditioneller Informationsquellen", schreibt Studienautor Nic Newman.

In der großen globalen Umfrage von Ende Jänner / Anfang Februar äußerten weniger Menschen Vertrauen in Nachrichtenmedien: 38 Prozent sagten, sie vertrauen Newsmedien allgemein, vier Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. 46 Prozent vertrauen den selbst genutzten Medien (minus drei). 32 Prozent trauen News, die sie über Suchmaschinen finden, und 22 Prozent Infos über Social Media, jeweils ein Prozentpunkt weniger.

In Österreich äußern knapp 40 Prozent Vertrauen in News allgemein und fast 51 Prozent in die selbst genutzten Medien.

Die meisten Befragten in Österreich äußern Vertrauen in ORF-Nachrichten (65,6 Prozent), in den STANDARD (61,4 Prozent), in DiePresse (59,9). Dann folgen die Nachrichten von Servus TV (55,5), Regional- oder Lokalzeitungen (54,3), Kurier (51,5) und Puls 4 (49,3 Prozent).

Ausgewogenheit

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Wie sollen Medien berichten? Sollen sie sich klar positionieren oder dem Ideal der Objektivität folgen und neutral berichten?

Eine Mehrheit der für den DNR global Befragten wünscht sich nach eigenem Bekunden ausgewogene Berichterstattung, die keine Position bezieht. 28 Prozent bevorzugen Nachrichten, die ihre eigene Sicht bestätigen oder unterstützen.

Facebook soll falsche Aussagen in Politwerbung blockieren

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52 Prozent erwarten von Medien, dass sie über Aussagen von Politikern auch dann prominent berichten, wenn sie irreführend oder falsch sind. Nur 29 Prozent sprachen sich dafür aus, solche Aussagen nicht hervorzuheben.

58 Prozent der global Befragten verlangen, dass Plattformen wie Facebook politische Werbung mit irreführenden Inhalten blockieren. 26 Prozent wollen nicht, dass Facebook und Co hier über Wahrheitsgehalt entscheiden.

Gut 56 Prozent der Befragten in Österreich sehen die Social-Media-Plattformen in der Verantwortung. Eine Mehrheit von gut 54 Prozent spricht sich hier gegen politische Werbung auf Facebook, Google und Twitter aus.

Konstant skeptisch sind die global für den DNR Befragten gegenüber dem Wahrheitsgehalt von Nachrichten, auf die sie im Netz stoßen: 56 Prozent haben Bedenken, ob solche Infos wahr oder falsch sind. In Österreich zweifeln nur 40 Prozent der Befragten.

40 Prozent international erwarten irreführende oder falsche Informationen am ehesten auf Social Media, 20 Prozent auf Nachrichtenseiten, 14 Prozent auf Messenger-Apps und nur zehn Prozent bei Suchen wie über Google.

Zahlungsbereitschaft

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"Journalismus ist wesentlich und wird nachgefragt", schreibt Nic Newman über die Lage der Branche in Corona-Zeiten: "Doch dieses höhere Interesse geht einher mit noch weniger Einnahmen", verweist er auf den Einbruch der Wirtschaft und damit auch der Werbeeinnahmen. Er rechnet mit einem zusätzlichen Schub Richtung Abo- und Bezahlmodelle.

In den USA, Norwegen und Großbritannien haben digitale Bezahlmodelle von New York Times und Washington Post, von Aftenposten,VG,Dagbladet, aber auch vielen norwegischen Regionalblättern sowie das Beitragsmodell des Guardian wirtschaftlich relevanten Erfolg.

In Österreich steigt die Zahlungsbereitschaft für digitale Nachrichten "langsam, aber stetig" laut neuem DNR-Länderbericht des Instituts für Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg. 10,6 Prozent gaben Anfang 2020 an, sie hätten im Vorjahr für Online-News bezahlt. Die jüngsten Befragten zwischen 18 und 35 Jahren erklärten überdurchschnittliche Zahlungsbereitschaft.

Klimawandel? Nicht so wichtig

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Die Corona-Pandemie hat das Schwerpunktthema des diesjährigen Digital News Report – Klimawandel – vorerst aus dem Fokus gerückt. Den Befragten in Österreich schien das Thema schon davor weniger wesentlich: Global fast 41 Prozent nannten die Klimakrise zu Jahresbeginn als "äußerst schwerwiegendes Problem". In Österreich fanden das 29,4 Prozent, ein Viertel weniger.

58 Prozent finden hier die Erderhitzung ein äußerst oder sehr schwerwiegendes Problem – so viele wie in Deutschland und Australien zu Jahresbeginn, etwas mehr als in Finnland und den USA. Österreich liegt im untersten Drittel des internationalen Vergleichs.

Zugleich erklären sich weniger Menschen in Österreich von den Nachrichtenmedien sehr gut oder gut informiert über den Klimawandel als die Befragten im internationalen Schnitt. (Harald Fidler, 16.6.2020)