Pervin will in "Kalifat" zurück nach Stockholm.

Screenshot: Netflix

Pervin will zurück nach Stockholm. Wenig verwunderlich, bekommt sie in Raqqa doch tagtäglich das Grauen des "Islamischen Staates" (IS) mit. Brutale Köpfungen, Bombenanschläge und Besuche der Sicherheitspolizei stehen auf der Tagesordnung.

Ihr Ticket zurück: der schwedische Nachrichtendienst, der einen geplanten Terrorangriff in Schweden vereiteln will. Der Deal lautet so: Pervin spioniert und liefert Informationen, dafür sollen sie und ihre im Kalifat geborene Tochter zurückgeholt werden. Zeitgleich wird die Geschichte junger Schülerinnen erzählt, denen Schritt für Schritt der IS und seine Auslegung des Islams schmackhaft gemacht werden.

Die schwedische Netflix-Serie Kalifat zeigt, dass es gar nicht so einfach ist mit der Radikalisierung. Denn worauf der IS in seinen Rekrutierungsprozessen aufbaute, war keineswegs der große Glaube an den Islam. Eher setzte man auf Menschen, die sich sowieso in einer Sinnkrise befanden und keinen Halt in der Gesellschaft fanden. Die jungen "Auserkorenen" in der Serie haben ihr Halbwissen über den Islam vor allem auf Online-Plattformen gesammelt – was tatsächlich im Koran steht, wissen sie gar nicht.

Die sensible und differenzierte Auseinandersetzung mit den Beweggründen der IS-Frauen ist die große Stärke von Kalifat. Manko ist die Darstellung mancher der männlichen Kämpfer, deren Motivation kaum thematisiert wird. Kalifat erforscht vor allem die Hintergründe jener Frauen, die ein freies Leben in Europa kennen – und dennoch ein System begrüßen, das diese Errungenschaften ausradiert und durch ein archaisches Frauenbild ersetzt. (Muzayen Al-Youssef, 15.6.2020)