Wetterfeste Besucher gibt es in Schönbrunn derzeit fast keine – die Einheimischen können ja auf einen trockenen Tag warten.

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1. SCHLOSS SCHÖNBRUNN

Wer zu Fronleichnam durch den Schönbrunner Schlosspark spazierte, konnte sich mitten in der Touristensaison wähnen. Ein Detail entlarvt die meisten Anwesenden aber als Einheimische, selbst wenn man ihre Wiener Sprachmelange nicht belauscht: Es werden rund um die Gloriette viel weniger Erinnerungsfotos gemacht als sonst, die Besucher kennen sie halt. Indoor spürt man die Lage stärker: Im Schloss waren früher an starken Tagen rund 10.000 Besucher, am heurigen Pfingstwochenende gerade mal 700. Angesichts der Vorreservierungen gilt aber: Tendenz steigend.

2. KUNSTHISTORISCHES MUSEUM

Einen Rubens oder Bruegel ein paar Minuten für sich allein haben? Wenn, dann jetzt. Das KHM schätzt die Besucherzahlen auf rund 20 Prozent des Normalbetriebs. Bis Ende Juni können Besucher den Eintrittspreis frei bestimmen, beim Onlinekauf sorgt ein Emoji neben der Preisauswahl für sozialen Druck. Bei knausrigen Drei-Euro-Spenden wird der Mund verzogen, für freigiebigere Gönner blinken Herzerlaugen.

3. SCHLOSS BELVEDERE

Der Garten rund ums Belvedere ist freilich längst wieder zugänglich, wir erinnern uns an die Causa Bundesgärten. Die Klimts bleiben aber noch etwas unter Verschluss. Das Obere Belvedere öffnet am 1. Juli, Fans können sich bis dahin mit Online-Führungen trösten: Neben detailliertesten Informationen über ein ausgewähltes Kunstwerk liefert Kunstexperte Markus Hübl in den etwa sechsminütigen Videos einen Kurs in perfekter Aussprache und großer Augenbrauenakrobatik – Empfehlung!

4. TRAMTOUR ÜBER DIE RINGSTRASSE

Zuallererst möchte der gekränkte Wiener der Reiseführerautorin das Wort "Bim" nahebringen. Unter Protest steigt er dann doch in die "Tram" und merkt: Die elektrogetriebene Ring-Tour ist wohl die unverändertste aller Attraktionen. Gebäude tragen keine Schutzmasken, an den Fetzen im eigenen Gesicht hat man sich nach den ersten drei Stationen eh schon gewöhnt.

5. PRATER & RIESENRAD

Im Prater erinnert wenig an die Pandemie, die Dreiviertelstarken auf dem Tagada zelebrieren die Abwesenheit von Berührungsängsten. Hie und da meldet sich die Realität dann doch, und man lernt, dass auch verpflichtendes Desinfizieren der Hände vor dem Einstieg ins Kettenkarussell nicht vor Höhenangst schützt. Platz ist generell genug – oder eher zu viel, wenn man an die Börserln der Schausteller denkt. Sich an einem lauen Frühsommerabend zu viert im Sombrero zu drehen, das spielt es im Normalbetrieb eher nicht.

Das Riesenrad fährt.
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6. STEPHANSDOM

Im Gottesdienst am 28. Mai hatte der Pfarrer noch gebetet, dass seine Schäfchen endlich vom Mund-Nasen-Schutz in der Messe befreit werden mögen – und von allem, was sie noch so von Gott trennt. Dieser Wunsch ist längst erfüllt. Auch maskenlos sind die Gebetsbänke bei der Juni-Werktagsabendmesse aber einer der raren Orte im ersten Bezirk, wo noch weniger Menschen sind als im Besucherbereich. Wie der Bildschirm beim Eingang auf 453 von 750 erlaubten Besuchern kommt, weiß nur Gott. Womöglich werden ja die in den Katakomben ruhenden Dauergäste mitgezählt.

7. DIE HOFBURG

Die Hofburg, das ist vieles. Vor der Nationalbibliothek fädeln sich täglich kurz vor neun Uhr zahllose Unibib-Flüchtlinge auf, die Spanische Hofreitschule dagegen fährt auf Sparflamme und gibt freitags, samstags und sonntags Rundgänge. Kaiserappartements, Sisi-Museum und Silberkammer sind wieder zugänglich – da die Besucher dieser Museen anders als beispielsweise in Schönbrunn aus Nachbarländern kommen, rechnen die Verantwortlichen mit einem baldigen Anstieg der Besucherzahlen.

8. KAFFEEHÄUSER

Das Café Central hat die wohl verlässlichste Touristenschlange Wiens. Nun stellt sich heraus: Schlange geht auch ohne Touris. Schon am ersten Wochenende nach der Wiedereröffnung wartete man auf einen Platz, erzählt der Kellner in Vollvisier-Uniform. Aber: "Weniger als sonst." Auch am jüngsten Kaffeehauswetter-Sonntag sitzt man nach zehn Minuten im Warmen – und zwar unter Wienern. "95 Prozent Einheimische, ein paar deutsche Touristen sind schon da", schätzt ein anderer Kellner. "Wir genießen die Ruhe vor dem Sturm."

Die Stufen, auf denen die Touristen stehen. Über den "Geschmack" der 5,30-Euro-Melange verliert der Autor dieser Rundschau keine Worte, er ist ja nicht zum Gastrokritiker qualifiziert.

9. WIENER SÄNGERKNABEN

Im Corona-freien Paralleluniversum würden die Sängerknaben kommenden Sonntag "Missa brevis in B-Dur" von Wolfgang Amadeus Mozart darbieten. In der hiesigen Realität sagt ihr künstlerischer Leiter Gerald Wirth: "Wir hoffen, dass wir im Herbst wieder auftreten können. Für uns ist es absolut existenzbedrohend." Die Knaben proben mit Sicherheitsabstand via Internet, im Turnsaal und im Schwimmbad. Wirth: "Da gibt es einen wunderschönen Hall."

10. BEISL

Zum Abschluss legt der Reiseführer einen Besuch in der für den Einheimischenalltag wichtigsten Institution nahe. Als Wiener Spritzerjünger hat man freilich schon sein Stammbeisl, aber jetzt ist man Tourist, also: Nähe Stephansplatz, rein in den ersten Laden, der sich dezidiert als "Beisl" ausschildert. Holzvertäfelungen, Schnitzelduft, passt. Und mal wieder: viel Platz. "Unter der Woche geht es", sagt die Kellnerin. "Aber am Wochenende ist die Innenstadt ohne Touristen ..." – das folgende Adjektiv sei verschwiegen. (Martin Schauhuber, 16.6.2020)