Sebastian Kurz (rechts) und Werner Kogler schnüren ein Paket.

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Seit Montag berät die türkis-grüne Koalition über Maßnahmen zur Entlastung und Konjunkturbelebung. Die bisher bekannten Pläne haben bereits zu heftiger Kritik geführt. Dabei nimmt die Regierung einiges an Geld – angeblich 14 Milliarden Euro – in die Hand und setzt das Paket breit auf. Was für wen herausschaut.

SENKUNG DER UMSATZSTEUER

In Deutschland ist es das Herzstück des 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpakets. Die Umsatzsteuer wird ab 1. Juli bis Jahresende von 19 auf 16 Prozent gesenkt. Die Idee dahinter: Sofern Unternehmen die Steuersenkung weitergeben, werden Konsumenten in den kommenden Monaten mehr kaufen, um vom Rabatt zu profitieren. Das belebt die Wirtschaft.

Auch in Österreich spielt die Senkung der Umsatzsteuer eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Wirtschaftsflaute. Statt die Sätze pauschal zu senken, setzen ÖVP und Grüne aber nur bei ausgewählten Sektoren an. Wegen dieser Vorgangsweise muss sich Österreich erst grünes Licht von der EU holen. In der Umsatzsteuer greifen viele EU-Regelungen. Noch ein Unterschied zu Deutschland: ÖVP-Minister propagieren, dass Unternehmen sich die Steuerersparnis behalten sollen, als Antikrisenhilfe.

Fünf Prozent für Gastro

Konkret soll die Umsatzsteuer bis Jahresende in der Gastronomie auf fünf Prozent sinken, und zwar für alle Speisen und Getränke. Auch die Hotellerie soll davon profitieren.

Die Gastronomie profitiert von einer Senkung der Umsatzsteuer.
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Eine Gewinnerin ist auch die Kulturindustrie. Doch hier wird bereits Kritik laut. Im Büro von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) kann man den Ärger an der temporären Mehrwertsteuersenkung von 13 auf fünf Prozent nicht nachvollziehen. Es sei unrichtig, dass dabei Großkonzerne bevorteilt würden, heißt es von Mayers Sprecher auf Anfrage. Ein diesbezüglicher Bericht der Tageszeitung Österreich wird als unrichtig zurückgewiesen. Ebenso unrichtig sei, dass es Kritik aus türkisen Reihen an der Regelung gebe. Der Online-Versandhandelsriese Amazon profitiere beim Buchverkauf weit nicht so sehr, wie im Österreich-Beitrag behauptet, da hierzulande 70 bis 80 Prozent des Umsatzes vom stationären Buchhandel erwirtschaftet würden.

Ticketfirmen profitieren

In einer Aussendung lobte der Hauptverband der Buchhändler die Steuersenkung. Dass der deutsche Online-Kulturticketkonzern Eventim profitieren würde, sieht man im Büro Mayers ebenfalls gelassen: Die Eventim-Tochter Oeticket.at habe sich verpflichtet, die Steuersenkung an die Veranstalter weiterzugeben, sodass von der Reduzierung auch beim Publikum etwas ankommen solle.

Bei Medien wird die Umsatzsteuer von zehn auf fünf Prozent reduziert. Der Zeitungsverband VÖZ fordert schon lange eine reduzierte Mehrwertsteuer und verweist auf Nulltarife in Großbritannien und Skandinavien und geringere Sätze in Deutschland. Österreich bliebe nun am besten auch nach den sechs Monaten Corona-Sonderregelung bei den fünf Prozent für Medien, wünscht sich der Verband.

Beim Verband sieht man keine einheitliche Linie, ob die Zeitungshäuser die befristete Senkung an Abonnenten und Käufer weitergeben werden. Einzelexemplare etwa von Tageszeitungen würden im zweiten Halbjahr 2020 im niedrigen Centbereich billiger; Jahresabos je nach Bezahlzeitpunkt grob berechnet im Bereich von sieben bis 24 Euro. Bei der Reduktion der Steuer auf Digitalabos mit Jahresbeginn 2020 von 20 auf zehn Prozent verwiesen Verlage auf deshalb geringer kalkulierte jährliche Preiserhöhungen.

UMSTRITTENE SONDERZAHLUNG FÜR ARBEITSLOSE

Die Extrazahlungen an Arbeitslose haben über das Wochenende und auch am Montag für heftige Reaktionen gesorgt. Von einer "Pflanzerei" sprachen FPÖ-Vertreter, in den Augen von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist der Schritt "blanker Hohn", und die Neos sehen darin Almosen statt echter Erneuerung des Sozialsystems.

Was sehen die Pläne der Regierung nun vor? Für Arbeitslose wurde eine Zusatzzahlung von 450 Euro vereinbart. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen zwischen Juli und September mindestens zwei Monate arbeitslos sind.

Beim AMS gemeldete Personen erhalten eine Extrazahlung.
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Nicht nur linke Politiker hatten auf nachhaltigere Verbesserung gehofft. Arbeitslose erhalten 55 Prozent ihres letzten Gehalts, Fachleute sprechen von einer Nettoersatzrate. In Österreich ist das Gefälle somit auch im europäischen Vergleich steil. Das kritisieren auch marktliberale Ökonomen. Der Einkommensverlust kann auch zu einem Konjunkturschock führen, wenn viele Personen gleichzeitig ihre Ausgaben reduzieren und somit den Konsum bremsen. Deshalb wird vielfach auf Länder wie Dänemark verwiesen, wo die Arbeitslosenhilfe deutlich höher liegt, mit der Zeit aber ständig abnimmt.

Debatte um Aufstocker

Neben der nicht erfolgten Systemumstellung hat noch ein Punkt für Aufregung gesorgt: Mehrere SPÖ-Soziallandesräte haben am Wochenende moniert, dass sogenannte Aufstocker nichts von der Extrazahlung hätten. Dazu ein Beispiel: Wer 600 Euro Arbeitslosengeld im Monat erhält, kann eine Aufstockung des Einkommens auf gut 900 Euro beantragen. Das entspricht dem Existenzminimum. Würde nun der Arbeitslosenbezug um 150 Euro (die 450 Euro Extrazahlung verteilen sich auf drei Monate) erhöht, würde die Sozialhilfe um den gleichen Betrag sinken.

Wie relevant der Punkt ist, zeigt das Beispiel Wien: Dort sind drei Viertel der Sozialhilfebezieher Aufstocker. Sie hätten nichts von der Maßnahme der Regierung, so die Kritik der SP-Landesräte. Von den Grünen heißt es dazu, dass auch die Aufstocker von der Extrazahlung profitieren sollen. Wie das gewährleistet werden soll, blieb am Montag offen.

UNTERSTER STEUERSATZ SINKT

Die Senkung der ersten Tarifstufe der Lohn- und Einkommenssteuer war bereits im türkis-grünen – und vorher schon im türkis-blauen – Regierungsprogramm fix eingeplant, allerdings erst ab kommendem Jahr. Nun soll diese Maßnahme schon früher in Kraft treten, nämlich rückwirkend mit Beginn 2020. Pro Jahr kostet die Senkung den Staat rund 1,5 Milliarden Euro an Einnahmen.

Konkret wird der Eingangssteuersatz, der auf Einkommensteile zwischen 11.000 und 18.000 Euro gezahlt wird, von 25 auf 20 Prozent gesenkt. Wer brutto 18.000 Euro jährlich oder mehr verdient, wird dadurch mit dem Maximalbetrag von rund 350 Euro jährlich entlastet; wer hingegen die Schwelle von 11.000 Euro unterschreitet, profitiert von der Steuersenkung per se nicht, denn diese Gruppe zahlt schon jetzt keine Einkommenssteuer. Das trifft laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) auf rund 35 Prozent der Steuerpflichtigen zu, die meisten zahlen allerdings Sozialversicherungsbeiträge.

Um auch diese große Gruppe der Geringverdiener zu begünstigen, hat die Regierung angekündigt, die Negativsteuer – also eine Steuergutschrift, die man vom Finanzamt bekommt – um 100 Euro jährlich zu erhöhen. In absoluten Beträgen fällt die Ersparnis aus der neuen Steuerreform bei den Niedrigverdienern damit aber nicht einmal ein Drittel so hoch aus wie bei den Gutverdienern. Zudem ist noch fraglich, ob die Erhöhung der Negativsteuer dauerhaft im System verankert wird oder nur einmalig für 2020.

FÖRDERUNG VON INVESTITIONEN

Um die Details der Investitionsprämie wurde bis zuletzt gerungen. Zum Beschluss steht die Investförderung am Dienstag an. Das Ziel: die Coronavirus-bedingt auf unvermeidliche Ersatzinvestitionen beschränkten Anschaffungen der Unternehmungen zu stimulieren. Das soll nach Wunsch von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) mit einer Prämie von "mindestens 14 Prozent" (des investierten Kapitals) nach Vorbild der Forschungsprämie angestoßen werden.

Wirtschaftsministerin Schramböck will Investitionen ankurbeln.
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Die von der Industrie gewünschten 20 Prozent für förderwürdige Anschaffungen dürften bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) auf Zurückhaltung gestoßen sein. Der Kompromiss bei 14 Prozent dezimiert die entgangenen Steuereinnahmen noch immer um knapp eine Milliarde Euro, wobei am Montagnachmittag noch nicht klar war, wie die Abgrenzung zwischen den ersten sieben Prozent (Basisprämie) und den zweiten sieben Prozent (on Top für Digitalisierung / Life-Science oder Nachhaltigkeit) erfolgt. Denn kaum eine Maschine, Turbine oder Produktionsanlage kommt heutzutage ohne Digitalisierung aus.

Ab 2021 soll die Investitionsprämie nach Wunsch der Industrie in eine degressive Afa übergehen. Die Abschreibung auf Abnutzung (AfA) beginnt dabei hoch und sinkt mit der Nutzungsdauer. Mit einem Verlustrücktrag sollen Corona-Verluste mit Gewinnen der vergangenen zwei Jahre gegengerechnet werden. Der Eigenmittelstärkung soll ein neuer Eigenkapitalfonds dienen. Zudem will der Staat Garantien für private Einlagen in Klein- und Mittelbetriebe übernehmen.

BONUS FÜR KINDER

Um bei Familien für zusätzliches Einkommen und damit Kaufkraft zu sorgen, will die Regierung sie pro Kind mit einem Bonus in Höhe von 360 Euro unterstützen. Wie Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Samstag im STANDARD vorwegnahm, solle dieser Bonus "am besten schon im September" ausbezahlt werden, und zwar automatisch mit der Familienbeihilfe.

Jedes Kind zählt diesmal gleich viel.
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Ebenso wie beim Zuschuss zum Arbeitslosengeld handelt es sich beim Kinderbonus um eine einmalige Maßnahme, die nur für dieses Jahr vorgesehen ist. Darin unterscheidet sich der Corona-Kinderbonus auch vom Familienbonus, den man seit 2019 in Anspruch nehmen kann und der bis zu 1.500 Euro pro Kind und Jahr bringt.

Es gibt allerdings noch einen weiteren wesentlichen Unterschied zwischen dem von Türkis-Blau beschlossenen Familienbonus und dem türkis-grünen Modell des Kinderbonus, das nun zusätzlich kommt: Der Kinderbonus kommt allen Kindern im selben Ausmaß zugute, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Der Familienbonus ist hingegen als Steuerabsetzbetrag konzipiert, den nur jene Eltern voll ausschöpfen können, die überhaupt mindestens 1.500 Euro an Einkommenssteuer jährlich zahlen. Und wer keine Einkommenssteuer zahlt, kann sich gar nichts vom Familienbonus holen.

Angesichts dessen versuchen die Grünen merklich, die finanzielle Gleichbehandlung aller Familien beim Kinderbonus als Verhandlungserfolg für sich zu reklamieren. (ta, ung, sw, szi, fid, as, 16.6.2020)