Die Armeen Nord- und Südkoreas stehen sich auf beiden Seiten der entmilitarisierten Grenzzone gegenüber.

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Südkoreanische Medien zeigten Rauchschwaden über der Grenzstadt Kaesong.

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Pjöngjang/Seoul – Die innerkoreanischen Beziehungen haben erneut einen deutlichen Rückschlag erlitten. Nach der Unterbrechung aller Kommunikationsleitungen zu Südkorea hat Nordkorea das erste gemeinsame Verbindungsbüro nahe der Grenze gesprengt.

Mit der drastischen Maßnahme auf eigenem Boden machte die international isolierte Führung in Pjöngjang ihrem Unmut über eine neue Propagandaflugblatt-Aktion südkoreanischer Aktivisten Luft. "Um 14.50 Uhr wurde das Verbindungsbüro auf tragische Weise mit einer fürchterlichen Explosion zerstört", berichteten die Staatsmedien am Dienstag. Die einflussreiche Schwester von Machthaber Kim Jong-un, Kim Yo-jong, hatte zuvor mit dem Abriss des "nutzlosen" Kommunikationsbüros in der grenznahen Stadt Kaesong gedroht.

Das Verbindungsbüro wurde im September 2018 eröffnet, um die Kommunikation der verfeindeten Staaten zu erleichtern.
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Flugblätter als Provokation

Die Zerstörung des Büros zeuge von der Wut der Nordkoreaner, hieß es in den nordkoreanischen Berichten in Anspielung auf die Flugblattkampagne südkoreanischer Aktivisten und nordkoreanischer Flüchtlinge. Ziel sei es gewesen, "menschlichen Abschaum und solche, die dem Abschaum Schutz bieten, für ihre Verbrechen zahlen" zu lassen.

Nordkorea hatte zuvor schon die Telefon- und Faxleitungen zum Süden gekappt und mit dem Abbruch aller Kontakte sowie mit weiteren Vergeltungsmaßnahmen gedroht. Pjöngjang wirft der Regierung in Seoul vor, die Propagandaaktionen, bei denen an der Grenze Ballons mit Flugblättern mit Kritik an der Führung in Pjöngjang in Richtung Norden geschickt werden, zu tolerieren. Zuletzt hatten die Gruppen Ende Mai etwa 500.000 Flugblätter losgeschickt.

Eine Wärmebildkamera auf der südkoreanischen Seite zeichnete die Sprengung auf.

Nordkorea sieht durch diese Aktionen die Würde des Machthabers beleidigt. Experten gehen davon aus, dass hinter dem Vorgehen noch mehr steckt. "Nordkorea ist dabei, Spannungen zu erzeugen", schreibt Jean H. Lee vom Wilson Center in den USA auf Twitter. "Pjöngjang leidet unter beißenden internationalen Sanktionen und versucht, Seoul dahin zu treiben, die von den USA angeführte Sanktionskampagne zu durchbrechen."

Seit dem gescheiterten Gipfeltreffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump im Februar 2019 in Vietnam nach rund einem Jahr des Tauwetters kommen die bilateralen Nuklearverhandlungen nicht mehr voran. Unter dem Stillstand leiden auch die innerkoreanischen Beziehungen.

Soldaten in "entmilitarisierte" Zonen

Am Dienstag hatte Nordkorea nach einer Propagandaflugblatt-Aktion damit gedroht, bereits "entmilitarisierte" Zonen an der Grenze wieder mit Soldaten zu besetzen. "Unsere Armee beobachtet die Lage genau, in der sich die innerkoreanischen Beziehungen zusehends verschlechtern", erklärte die Armeeführung am Dienstag.

Es würden Pläne der Regierung und der Arbeiterpartei geprüft, wonach die Armee wieder in Zonen vorstoßen könne, die unter dem Abkommen zwischen den beiden Ländern entmilitarisiert worden seien, wurde der Generalstab von den Staatsmedien zitiert. Zudem deutete er an, dass die Volksarmee ihrerseits Flugblätter nach Südkorea schicken könnte.

Den Plänen zufolge soll die Frontlinie in eine Festung verwandelt und die militärische Wachsamkeit gegenüber Südkorea erhöht werden. Details zu den Zonen, in die das Militär wiedereintreten könnte, wurden nicht genannt.

Südkoreanische Medien spekulierten, Nordkorea könnte unter anderem wieder Soldaten in das Gebiet um Kaesong schicken. Dort hatten beide Länder bis 2016 einen gemeinsamen Industriekomplex betrieben. Vor der Öffnung des Industrieparks 2004 waren auf dem Gelände Soldaten stationiert gewesen.

Nordkorea sprengt Verbindungsbüro.
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Die innerkoreanischen Beziehungen sind seit dem gescheiterten Gipfel Nordkoreas mit den USA im Februar vergangenen Jahres zum Erliegen gekommen. Experten vermuten, dass Nordkorea mit einer Eskalation des Konflikts mit Südkorea den Druck auf die USA erhöhen will.

Nationaler Sicherheitsrat in Südkorea

In Südkorea kam das ständige Komitee des Nationalen Sicherheitsrats zusammen, um die Lage zu erörtern. Die Einrichtung des Verbindungsbüros war ein konkretes Ergebnis des ersten Gipfeltreffens des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in mit Kim im April 2018 gewesen.

China sprach sich unterdessen für "Frieden und Stabilität" aus. "Nordkorea und Südkorea sind ein Volk, und als Nachbar hat China immer auf die Wahrung von Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel gehofft", sagte Zhao Lijian, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums, am Dienstag. (APA, red 16.6.2020)