Wien – "Game over nach der Overtime?" Die Bundessportorganisation Sport Austria hatte den Titel ihrer Veranstaltung am Dienstag noch mit einem Fragezeichen versehen. Nimmt man die Vereinsvertreter ernst, die im Presseclub Concordia in Wien zu Wort kamen, könnte daraus bald ein Rufzeichen werden. Sie hatten sich versammelt, um darauf hinzuweisen, dass die seitens der Regierung versprochenen Hilfsgelder noch immer nicht im Sport angekommen sind.

Daniel Nader (Box-Bundestrainer, Boxclub Bounce), Thomas Linzer (Präsident Oberwart Gunners), Hans Niessl (Sport-Austria-Präsident), Marcos Nader (International IBF Middleweight Champion) und Miroslav Sraihans (Obmann 1. Simmeringer Sportclub).
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Besonders drastisch beschrieb Thomas Linzer, der Präsident des Basketballvereins Oberwart Gunners, die Lage. "In den vergangenen drei Monaten ist nichts passiert", wetterte er. "Wir haben drei Monate lang nur Lippenbekenntnisse gehört." Allein die Bank habe fällige Zinsen eine Zeitlang gestundet, damit habe es sich aber auch schon wieder. Linzer führte aus, er habe Mitte März neun von 15 Vereinsangestellten zur Kurzarbeit angemeldet, aber bis dato "keine Rückvergütung bekommen". Auch Sport-Austria-Präsident Hans Niessl versicherte: "Es ist noch kein Cent in den Sport geflossen."

Erst im Mai hatte die Regierung ein Hilfspaket für gemeinnützige Einrichtungen präsentiert, es ist 700 Millionen Euro schwer, die freilich erst unter sportlichen, kulturellen und sozialen Einrichtungen aufzuteilen sind. Linzer: "Da gibt es jetzt einmal Abstimmungsgespräche mit Landesreferenten und mit der Tourismusministerin, die für Ehrenamtliche zuständig ist." Laut Linzer haften viele Vereinsfunktionäre mit ihrem Privatvermögen, er geht davon aus, "dass etliche Sportvereine formaljuristisch schon jetzt insolvent sind".

Der Oberwart-Präsident bezifferte die Einbußen für diese Saison mit 75.000 Euro, geht aber davon aus, dass ihm in den nächsten zwei Spieljahren ein Schaden von bis zu 250.000 Euro entsteht. Linzer übte heftige Kritik an der Regierung. "Es fehlt an Interesse, an Leidenschaft und an Kompetenz." Sportminister Werner Kogler (Grüne) wurde von Linzer namentlich angesprochen. "Ich bitte Sie: Entwickeln Sie ein ehrliches Interesse am Sport, oder geben Sie das Ressort jemand anderem." Der Sport habe "ein Recht darauf, mit Respekt behandelt zu werden. Wir brauchen Hilfe, und zwar sofort."

1. Simmeringer SC in Problemen

Auch Miroslav Sraihans vom 1. Simmeringer SC, einem bald 120 Jahre alten Fußballverein auf Amateurbasis, kann die Kosten kaum noch decken. Schließlich entgehen dem Verein sämtliche Einnahmen aus – teils auch kulturellen – Events auf seinem Gelände, laut Sraihans machen die Einbußen 61.000 Euro aus. "Bis Ende Juni kommen wir klar – aber dann?"

Der Boxclub Bounce ist doppelt getroffen. Österreichs bester Boxer Marcos Nader befürchtet, dass er "nicht konkurrenzfähig bleibt", weil er im Gegensatz zu Boxern etwa in Deutschland derzeit nicht wettkampforientiert trainieren darf. Sein Bruder Daniel, der den Verein mit tausend Mitgliedern führt, hat noch ganz andere Sorgen. "Vereine wie wir leben von den Mitgliedern. Wenn wir kein Angebot machen können, verlieren wir Mitglieder und können auch Kinder und Jugendliche nicht mehr begeistern."

Sport-Austria-Präsident Niessl appelliert an die Regierung, bis Ende Juni für finanzielle Hilfe zu sorgen. Wie die Vereinsfunktionäre macht auch er "eine Missachtung des Sports insgesamt" aus. Da und dort würden bereits Vereinsfusionen und Vereinsauflösungen überlegt. In anderen Ländern wie Tschechien, Slowenien, der Schweiz und der Slowakei könne etwa bereits wieder Handball gespielt werden. Und Österreich? "Wenn Sportarten wie Handball, Basketball und Volleyball nicht in den nächsten zwei Wochen Perspektiven bekommen", sagt Niessl, "sind im Herbst auch komplette Saisonausfälle nicht auszuschließen." Game over, so würde der Titel dann lauten, mit Rufzeichen! (Fritz Neumann, 16.6.2020)