Das Start-up Valanx Biotech in Klosterneuburg sucht mit Ansätzen der synthetischen Biologie nach neuen Wirkstoffverbindungen zur pharmazeutischen Nutzung.

Foto: Valanx / Michael Beck

Für Michael Lukesch war es ein richtiger "Heureka-Moment", damals während seines Doktoratsstudiums der Chemie an der Technischen Universität Graz – einer dieser Momente, in denen man merkt: Man hat es probiert – und es funktioniert tatsächlich.

Für den Chemiker war dies Ausgangspunkt seines 2017 gegründeten Start-ups Valanx Biotech, das am – mit dem Institute of Science and Technology (IST) Austria verbundenen – Technologiepark IST Park in Klosterneuburg angesiedelt ist. Hier zielt Lukesch darauf ab, in der Wirkstoffentwicklung im Bereich der synthetischen Biologie für eine wesentliche Vereinfachung zu sorgen.

Auslöser des Heureka-Moments war eine künstliche Aminosäure mit ganz bestimmten Eigenschaften. Aminosäuren sind, in bestimmten Reihenfolgen aneinandergereiht und verwoben in komplexen 3D-Strukturen, Bestandteile von Proteinen, die im Körper die verschiedensten Funktionen übernehmen. Antikörper sind beispielsweise Proteine, die – im Dienste des Immunsystems – darauf programmiert sind, bestimmte Fremdkörper zu identifizieren.

"Ein Protein ist dafür gemacht Oberflächenstrukturen zu erkennen und sich an diese zu binden", erklärt Lukesch. Diese Eigenschaft macht man sich auch in der Wirkstoffentwicklung zunutze, etwa beim Aufspüren von Krebszellen. "Die Proteine sind hier die Zielfindung. Hängt man an sie noch ein toxisches Molekül an, verbindet man die Zielfindung mit einer aktiven Bekämpfung durch einen Wirkstoff", erklärt der Gründer eine Einsatzmöglichkeit.

Künstliche Aminosäure

Entsprechende Wirkstoffe gibt es bereits am Markt. Sie zu entwickeln ist laut Lukesch aber "alles andere als trivial", denn Menge und Orte der Bindungen an den Proteinen sind schwer zu kontrollieren. "Es ist, als ob man eine Magnetkugel über einen Berg Eisennägel bewegt", vergleicht Lukesch. "Man wird niemals dieselbe Verteilung von Nägeln, die an der Kugel haften, haben." Für die Pharmafirmen ist das Wirkprofil der jeweiligen Protein-Wirkstoff-Verbindungen deshalb schwer abzuschätzen. Genau das möchte Lukesch ändern.

Seine künstliche Aminosäure, die mithilfe spezieller Enzyme entsteht, wird – wie in der synthetischen Biologie üblich – mithilfe genetisch modifizierter Bakterien an vordefinierten Stellen in das Protein "eingebaut". Dort entfaltet sie eine spezielle Fähigkeit: Sie schafft gezielt Verbindungen zu den Wirkstoffen.

Andockstelle im Protein

"Es entstehen damit Andockstellen im Protein, die mit dem Wirkstoff reagieren können", erklärt Lukesch. "Nun ist das Protein wie eine Holzkugel, bei der an fünf Stellen ein kleiner Magnet eingelassen ist. Genau an diesen fünf Stellen wird ein Eisennagel haften bleiben." Damit ist die Protein-Wirkstoff-Verbindung tatsächlich genau definiert.

Gleichzeitig muss aber sichergestellt werden, dass die ursprüngliche Funktion des Proteins durch den neu eingefügten Bestandteil nicht verändert wurde. Der Schlüssel dafür ist die Untersuchung der 3D-Struktur des Moleküls: "Wir analysieren die Proteinstruktur und vergleichen sie mit der natürlichen Form. Ist diese unverändert, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Wirkung gleich bleibt", betont Lukesch. Und natürlich muss in den klinischen Studien, die der Wirkstoff durchläuft, die entsprechende Wirkung beschrieben und belegt werden.

Vielfältige Anwendungen

Das Potenzial des Ansatzes ist weitreichend: Anwendungen gibt es überall, wo ein Wirkstoff an ein Protein als "Zielsuchgerät" angehängt werden soll. Bei Wirkstoffen in Proteinform – etwa Wachstumshormonen oder Interferonen, die das Immunsystem stärken – könnte man mit gezielt angebundenen Stoffen die Halbwertszeit der Arzneimittel verändern. Damit lasse sich bei Krankheiten, bei denen jetzt mehrmals pro Tag Wirkstoffe eingenommen werden müssen, diese Häufigkeit stark verringern.

Zudem könnten Biosensoren, etwa um Glucose- oder Lactose-Wert im Blut zu bestimmen, künftig mithilfe der Erfindung entwickelt werden.

Zeit der Entwicklung

Bevor Valanx an den IST Park geholt wurde, durchlief Lukesch mit seinem damaligen Mitgründer ein Accelerator-Programm des Risikokapitalgebers Rebel Bio in Irland. Eine Investorengruppe, bestehend aus dem Start-up-Fonds IST Cube, dem US-Venture-Capital-Unternehmen SOSV und Tecnet Equity, der Finanzierungsgesellschaft des Landes Niederösterreich. Dazu kommt eine Finanzierung durch die Förderagentur FFG. Für eine Ansiedlung im IST Park sprach für Lukesch auch das hier zugängliche technische Equipment des IST Austria.

Bevor tatsächlich ein Medikament auf den Markt kommt, das mithilfe von Lukeschs Erfindung entwickelt wurde, wird noch einige Zeit vergehen. Zwei bis drei Jahre dauert es noch, bis die Technologieplattform des bald sechsköpfigen Start-up-Teams steht.

Eine anschließende Wirkstoffentwicklung, die auf einer Lizenzierung der Proteinkonjugat-Technologie aufbaut, ist mit weiteren fünf bis zehn Jahren anzusetzen. Dann wäre der Weg vom Heureka-Moment eines Medizin-Forschers bis zum erstmaligen breiten Einsatz bei den Patienten abgeschlossen. (Alois Pumhösel, 21.6.2020)