Tausende Blaumeisen wurden im Frühjahr in Deutschland durch ein Bakterium getötet. Welchen Einfluss die Vogelmalaria beim Vogelsterben spielt, wird in Wien untersucht.

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Vögel infizieren sich zwar nicht mit Sars-CoV-2, sie können aber einer Menge anderer Erreger zum Opfer fallen. So setzt etwa seit Anfang der 2000er-Jahre das tropische Usutu-Virus den heimischen Amseln zu, der Einzeller Trichomonas gallinae verursacht seit einigen Jahren einen massiven Rückgang der Grünfinken, und das Bakterium Suttonella ornithocola raffte dieses Frühjahr in Deutschland zehntausende Blaumeisen dahin. Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien beschäftigen sich seit mehreren Jahren mit der Vogelmalaria – und bitten dabei auch um Mithilfe der Bevölkerung.

Seit mehr als zehn Jahren befasst sich Herbert Weissenböck vom Institut für Pathologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien mit der Vogelmalaria. Wie die Malaria beim Menschen wird auch diese durch sogenannte Hämosporidien verursacht. Das sind winzige Einzeller, die im Blut von Wirbeltieren parasitieren und deren bekanntester Vertreter die Gattung Plasmodium ist.

So sehr der Name und der Erreger auch den Verdacht nahelegen, dass die Vogel- und die menschliche Malaria nur einen genetischen Hüpfer voneinander entfernt sein könnten, so falsch ist dieser Eindruck: "Die beiden Erreger haben sich in ihrer Stammesgeschichte schon ganz früh voneinander getrennt", wie Weissenböck versichert, "die Vogelmalaria stellt daher für Menschen und Haustiere keinerlei Bedrohung dar, auch nicht für das heimische Nutzgeflügel."

Festgelegter Wirtswechsel

Hämosporidien durchlaufen einen festgelegten Wirtswechsel. Das ist auch bei der Vogelmalaria nicht anders: Beim Stich durch eine infizierte Stechmücke, die unreife Hämosporidien-Stadien in sich trägt, gelangen diese in den Vogel. In dessen Organen durchlaufen die Parasiten eine ungeschlechtliche Vermehrungsphase, an deren Ende Geschlechtstiere entstehen.

Diese werden beim nächsten Stich durch eine andere Mücke aufgenommen, in deren Darm es zur geschlechtlichen Fortpflanzung kommt, und die Produkte daraus gelangen wieder in einen Vogel. Die Krankheit verursacht bei den betroffenen Vögeln unter anderem Fieber, Abgeschlagenheit und extreme Anämie, die bis zu Koma und Tod führen kann. In der Praxis schien es jedoch lange so, als würden die meisten Vogelarten durch eine Infektion kaum beeinträchtigt.

Anpassung an Erreger

"Die Idee war, dass sich die Hämosporidien und die meisten Wildvogelarten schon so lange aneinander angepasst haben, dass der Erreger mittlerweile nur noch sehr milde Auswirkungen auf seine Wirte hat", führt Weissenböck aus. Heftige Reaktionen mit Todesraten von 50 bis 90 Prozent kannte man vor allem von Vögeln, die im Laufe ihrer Stammesgeschichte mit dem Virus nicht oder kaum in Berührung gekommen waren.

Dazu zählen vor allem Pinguine, in deren natürlichem Verbreitungsgebiet es keine Vogelmalaria gibt. Sie können heftig erkranken, wenn sie als Zootiere in wärmere Klimaregionen gebracht werden.

Massiv dezimiert wurden auch die Zuckervögel auf Hawaii mit der Einführung von Stechmücken und die Einwanderung von mit der Vogelmalaria infizierten Vögeln: Ein geschätztes Drittel der 55 bekannten Zuckervogelarten auf Hawaii wurde durch die Krankheit ausgerottet – dem Rest gelang der Rückzug in Bergwälder, in denen es für die Stechmücken bisher zu kühl war.

Gewebeschäden durch Hämosporidien

Wie Weissenböck und seine Mitarbeiter in den vergangenen Jahren zeigen konnten, ist jedoch auch die heimische Vogelwelt nicht so "immun" gegen die Vogelmalaria wie bisher angenommen. In den 2000er-Jahren untersuchte seine Gruppe das damalige Amselsterben, als dessen Hauptverursacher sich schließlich das Usutu-Virus herausstellte.

Dabei stießen die Veterinärmediziner auch auf lokale Cluster von Todesfällen, die nicht von Usutu verursacht waren, sondern durch einen heftigen Befall mit Hämosporidien: In rund 15 Prozent der rund 600 untersuchten Vögel hatten sich manche Hämosporidien so stark vermehrt, dass sie massive Gewebeschäden auslösten. "Das hat in der Expertenszene für Aufregung gesorgt, weil man das bis dahin nicht so auf dem Radar hatte", sagt Weissenböck zurückblickend.

Nachweis von Vogelmalaria-Erregern

Ein nachfolgendes Projekt, das vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert wurde, ermöglichte ihm eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema, wobei er sich in erster Linie damit beschäftigte, bessere und feinere Nachweisverfahren der Vogelmalaria-Erreger zu entwickeln. Eigentlich sollte man diese unter dem Lichtmikroskop ohne weiteres sehen können, aber vor allem in Gewebeproben kann man sie leicht mit anderen Zellstrukturen verwechseln.

Weissenböck und seine Mitarbeiter haben stattdessen eine genetische Methode entwickelt, bei der der jeweilige Erreger in befallenem Gewebe mittels einer Farbreaktion sichtbar gemacht wird. Weltweit gibt es mehrere Hundert verschiedene Arten von Vogel-Hämosporidien, und "jede ist ein bisschen anders", sagt Weissenböck. Das heißt: Erkenntnisse über einen Erreger der Vogelmalaria müssen nicht unbedingt auch auf einen anderen zutreffen.

Beteilung gefragt

In einem nächsten Schritt wollen Weissenböck und seine Mitarbeiter klären, wie sehr sich die Vogelmalaria auf andere Vogelarten als nur Amseln und Drosseln auswirkt. Um an die dafür nötigen Untersuchungsobjekte zu kommen, haben sie das Citizen-Science-Projekt "Vogelmalaria" gestartet.

Dabei sind die Bewohner Wiens, Niederösterreichs und des Burgenlandes aufgefordert, tot aufgefundene Singvögel und Spechte bei der Veterinärmedizinischen Universität Wien zu melden. Das Projektteam meldet sich bei den Findern von relevanten Vogelfunden und holen diese ab. Die daraus gewonnen Daten werden am Ende auf der Projekt-Website veröffentlicht. (Susanne Strnadl, 20.6.2020)