Gerade war in China wieder ein Hauch von Normalität eingekehrt: Restaurants öffneten, Reisen waren zumindest innerhalb des Landes wieder halbwegs möglich. Damit dürfte jetzt fürs Erste Schluss sein: Das Virus ist ausgerechnet in der Hauptstadt Peking wieder ausgebrochen.

Am Montag wurden 27 neue Fälle gemeldet, insgesamt haben sich seit vergangenem Donnerstag 106 Menschen mit dem Virus infiziert. Aus Sorge schließt die Regierung nun sogar wieder alle Schulen in der Hauptstadt, auch die Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt. Die Pekinger müssen auf nicht notwendige Reisen verzichten, teilte die Stadtverwaltung mit.

Verlassen der Stadt untersagt

Bewohnern von Gegenden in Peking mit "mittlerem oder hohem" Corona-Risiko wurde ein Verlassen der Stadt ausdrücklich untersagt. Jeder andere, der Peking verlassen wolle, müsse einen maximal sieben Tage alten negativen Corona-Test vorweisen.

Die neuen Infektionen sind fast ausschließlich auf Pekings größten Gemüsemarkt zurückzuführen. Der Xinfadi-Markt im Süden der Stadt versorgt 90 Prozent der Stadtbewohner. Mit einer Fläche von über 100 Hektar gilt er als der größte Gemüsemarkt Asiens: Laut Angaben auf der Website werden dort täglich 3.000 Schweine und 1.500 Kilo Meeresfrüchte gehandelt. 15.000 Menschen besuchen den Markt jeden Tag. Er wurde am Wochenende großräumig abgesperrt.

Bild nicht mehr verfügbar.

Der Xinfadi-Markt im Süden Pekings wurde am Wochenende großräumig abgesperrt.
Foto: REUTERS/Tingshu Wang

Ob das Virus tatsächlich von einem aus Europa importierten Lachs stammt, wie anfangs von den Behörden behauptet, ist dagegen längst nicht klar. Malik Peiris, ein Virologe der Universität Hongkong, sagte der "South China Morning Post", das Virus könne wochenlang in kalter, feuchter Umgebung überleben. Auch die Weltgesundheitsorganisation äußerte sich äußerst skeptisch zu der Theorie. Als wahrscheinlicher gilt mittlerweile, dass ein Besucher aus einem anderen Landesteil das Virus in die 20-Millionen-Einwohner-Metropole eingeschleppt hat oder dass es auf der Verpackung haftete.

Peking machte Ausland verantwortlich

Die staatlichen Medien hatten am Wochenende die Hypothese verbreitet, das Virus habe ein Lachs aus Europa importiert, da die Viren auf einem Schneidbrett im Xinfadi-Markt nachgewiesen worden seien. Das passt gut ins Narrativ der chinesischen Führung: Nach dem ersten Ausbruch in Wuhan sei es der Partei gelungen, das Land virusfrei zu halten. Die wenigen Neuinfektionen seien nahezu alle auf Ausländer und chinesische Rückkehrer aus dem Ausland zurückzuführen.

Seit dem 28. März hat China seine Grenzen für Ausländer, einschließlich solcher mit Aufenthaltsgenehmigung, geschlossen. Alle Flugverbindungen wurden auf ein Flugzeug pro Woche und Land reduziert. Besonders wichtig war der chinesischen Regierung aber stets der Schutz der Hauptstadt. Zu diesem Zweck war um Peking ein Cordon Sanitaire gelegt worden. Flugzeuge aus dem Ausland mussten auf einem der umliegenden Provinzflughäfen umgeleitet werden, die Passagier sich für zwei Wochen in strikte Quarantäne begeben. Noch im Mai hatte Präsident Xi Jinping gesagt, das Land habe die Wende im Kampf gegen das Virus geschafft. Kurz darauf fand der Nationale Volkskongress mit zweimonatiger Verspätung in Peking statt.

Wirtschaftlicher Schaden offenbar gering

Immerhin: Wirtschaftlich dürfte der Schaden diesmal nicht so groß ausfallen. Zumindest geht davon die Europäische Handelskammer in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme aus. Die chinesische Regierung habe nun Erfahrung mit einem Virusausbruch und könne gezielter reagieren. Zudem begrüßte man die Transparenz der Regierung hinsichtlich der veröffentlichten Zahlen.

Trotzdem sei die Stimmung in der europäischen Business-Community unterirdisch. "Gerade als man dachte, die Situation bessert sich, kommt ein neuer Ausbruch", sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer. "Nun gilt in vielen Städten wieder Quarantäne für jeden, der aus Peking kommt." (Philipp Mattheis, 16.6.2020)