Viele Millionen Menschen in Deutschland sollen in den nächsten Tagen die neue Corona-Warn-App herunterladen und aktivieren. Das wünscht sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

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Es wirkte fast wie ein Staatsakt. Gleich fünf Regierungsmitglieder fanden sich am Dienstag im Berliner Bundespresseamt ein, um die neue App zu präsentieren. Mit dabei waren zudem die Chefs des Robert-Koch-Instituts (Lothar Wieler) und der Telekom (Timotheus Höttges) sowie Jürgen Müller vom Vorstand des Softwareriesen SAP.

Eigentlich hätte die App schon Mitte April in Deutschland an den Start gehen sollen, doch es war immer wieder zu Verzögerungen gekommen. Diese fanden die Beteiligten jedoch lässlich, denn nun liegt – ihren Worten nach – die großartigste App ever vor.

Sie sei weltweit zwar nicht die erste, räumte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) ein. Doch er fügte hinzu: "Ich bin überzeugt, das ist die beste." Höttges sprach sogar von einem "Rockstar" unter den Apps.

Seit Dienstag bereit

"Corona-Warn-App" heißt sie, und seit Dienstag um zwei Uhr früh steht sie in den Stores für iPhones und Android-Smartphones bereit. "Sie ist sicher, freiwillig und einfach zu handhaben. Mehr geht kaum", sagt der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Die App nutzt die Bluetooth-Low-Energy-Technik, um den Abstand und die Begegnungsdauer zwischen Personen zu messen, die die App installiert haben. Die Smartphones "merken" sich Begegnungen, wenn Personen längere Zeit nicht mehr als zwei Meter voneinander entfernt aufgehalten haben.

Ist ein Nutzer positiv getestet worden und hat er dies in der App geteilt, meldet sie anderen Anwendern, dass sie sich in der Nähe eines Infizierten aufgehalten haben. Dann kann man sich auch ohne Symptome auf Kassenkosten testen lassen.

Ähnlich wie bei der "Stopp Corona-App", die es in Österreich schon länger gibt, werden Kontaktdaten nicht zentral gespeichert, sondern nur auf den Smartphones.

7.000 Hinweise eingegangen

"Die App erfüllt höchste Ansprüche, was den Datenschutz angeht", verspricht Innenminister Horst Seehofer (CSU). 20 Millionen Euro kostet die App, bei der Entwicklung sind 7000 Hinweise aus der IT-Community eingegangen. Überhaupt, so Telekom-Chef Höttges, sei das Projekt ein Musterbeispiel an Public-private-Partnership.

Lob gibt es sogar vom sonst in Sachen Sicherheit sehr kritischen Chaos Computer Club. "Die App ist das erste große öffentlich finanzierte Open-Source-Projekt in Deutschland. Da kann sich die Bundesregierung doch auch mal auf die Schulter klopfen", erklärt dessen Sprecher, Linus Neumann.

Unterstützung kommt zudem von der deutschen Bundesärztekammer. "Das ist ein sehr sinnvolles Instrument", sagt Präsident Klaus Reinhardt. Allerdings würde sie "noch besser wirken, wenn man das System grenzüberschreitend in Europa gangbar machen könnte".

Infos in der EU austauschen

Derzeit ist die App noch nicht mit anderen aus anderen Ländern– also auch nicht mit der österreichischen – kompatibel.

Allerdings sollen die verschiedenen Apps der EU-Staaten künftig Informationen untereinander austauschen können und so die Kontaktverfolgung von Infizierten über Ländergrenzen hinweg möglich machen. Darauf haben sich mehrere EU-Länder – darunter Österreich – am Dienstag geeinigt.

"Nun, da wir uns der Reisesaison nähern, ist es wichtig sicherzustellen, dass Europäer die App ihres eigenen Landes benutzen können, wohin auch immer sie in der EU reisen", sagt EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.

Kritik, dass die App nur dann Sinn ergebe, wenn sie 60 Prozent der Bevölkerung nutzen, weist Spahn übrigens zurück. Dies wäre nur der Fall, wenn es keine anderen Corona-Schutzmaßnahmen gäbe. Er hofft, dass "viele Hunderttausende, idealerweise viele Millionen" das Angebot annehmen werden. (Birgit Baumann aus Berlin, 16.6.2020)