Im Covid-Jahr wird unter italienischen Sonnenschirmen nichts mehr so sein, wie es war.

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Die "spiaggia", der Strand: Das ist und bleibt Symbol und Brennpunkt des italienischen Sommergefühls. Und der Inbegriff der Strandkultur sind die "stabilimenti balneari", die Bezahlstrände mit Sonnenschirmen und Liegen. Im Lido wird der Strand zum Laufsteg und Fitnessstudio, zu Bar und Restaurant, zum Markt, zur Sauna, zum Lesesaal. Was man in anderen Ländern in der Regel nur an Hotelstränden sieht – hunderte geometrisch ausgerichtete Sonnenschirme in mehreren Reihen mit einem oder mehreren Liegestühlen darunter –, ist für die meisten Italiener die unverzichtbare Voraussetzung für einen erfüllten Sommerurlaub.

Seit dem 25. Mai, als die Regierung von Giuseppe Conte die ersten Lockdown-Restriktionen lockerte, sind die meisten der fast 30.000 "stabilimenti" und auch die freien Strände wieder offen. Doch im Covid-Jahr wird unter den Sonnenschirmen nichts mehr so sein, wie es war. All das, woran man sich während der Epidemie mehr schlecht als recht gewöhnt hat – Abstandsregelungen, Maskenpflicht in geschlossenen Räumen, Spender mit Desinfektionsmitteln – hat auch am Strand Einzug gehalten. Dass man wenigstens auf der Liege und im Wasser die Maske weglassen darf, ist dabei nur ein kleiner Trost.

Reservierte Schirme

Die Strandregeln der Regierung besagen, dass für jeden Sonnenschirm eine Strandfläche von mindestens zehn Quadratmetern reserviert werden muss. Die Liegestühle müssen eine Distanz von 1,5 Metern oder mehr einhalten und bei jedem Gästewechsel desinfiziert werden. Im März, als die Panik am größten war, hatten findige Unternehmer sogar Plexiglaskabinen für den Strand entwickelt, was sich nicht durchsetzen konnte. Für das Personal der Bezahlstrände gilt Maskenpflicht. Daneben hat die Regierung diverse Empfehlungen erlassen: zum Beispiel, dass den Gästen zuerst das Fieber gemessen werden soll oder dass Stewards die Kunden zu ihrem Liegestuhl begleiten. Doch obligatorisch ist dies nicht.

Zusätzlich haben die Regionen unterschiedliche Leitlinien erlassen. Es würde zu weit führen, diese im Einzelnen aufzulisten, doch eine Maßnahme gilt an den meisten Stränden: Die Sonnenschirme und Liegen müssen vor dem Besuch reserviert werden. Macht man das per App, identifiziert man sich gleich und kann schnell benachrichtigt werden, falls das "stabilimento" zu einem Infektionsherd geworden sein sollte.

So richtig froh ist angesichts der besonderen Umstände niemand – am wenigsten die Betreiber der Strände, die wegen der Restriktionen bereits zwei Monate als Totalausfall wegstecken mussten und außerdem kostspielige Auflagen erhielten, etwa die Trennung von Ein- und Ausgängen oder der Bau von Rollstuhlrampen. Doch jetzt, wo die Saison eröffnet ist und die ersten Gäste eintrudeln, keimt vereinzelt die Hoffnung, dass wenigstens die Sommer- und Herbstmonate etwas besser werden. (Dominik Straub aus Rom, 17.6.2020)