Kommt man die Treppen von der U-Bahn-Station Keplerplatz in Wien-Favoriten hoch, sieht es auf den ersten Blick auf dem Viktor-Adler-Markt aus wie im Traum eines jeden FPÖlers. Blaue Luftballons sind da und FPÖ-Fahnen, man hört schon die John Otti Band, wie sie das Publikum auffordert, die Hände in den Himmel zu strecken – selbst der ist blau.

Ein blauer Traum, aber doch recht schlecht besucht, verglichen mit vergangenen FPÖ-Veranstaltungen.
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Die FPÖ-Kundgebung im zehnten Bezirk am Dienstagabend sollte zweierlei sein: Protest gegen den sogenannten Corona-Wahnsinn und Wahlkampf. Und eigentlich geht beides miteinander her.

Babyelefanten wurden nicht ernst genommen.
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Je näher man der Szenerie kommt, desto eher wird klar: Viel mehr als ein paar hundert Leute sind da nicht. Die Bilder von Babyelefanten, die mit Gaffaband auf den Boden geklebt wurden, sind unnötig: Hinten sind sie frei, vorne werden sie ignoriert. Eine FPÖ-Mitarbeiterin verteilt mit einer Zange Masken, kaum jemand nimmt das Angebot an.

Schwerpunkt: Blaue Kernthemen

Kickl begrüßte, dass wenige Masken getragen wurden.
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FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl freut das. Den Babyelefanten brauche man ohnehin nicht, der sitze eh in der Regierung, sagt Kickl. Mit Untergriffen auf andere Parteien sparen auch die Redner Norbert Hofer, blauer Bundesparteiobman, und Dominik Nepp, blauer Vizebürgermeister in Wien, nicht, immerhin wird in Wien in wenigen Monaten gewählt. Umfragen sehen die FPÖ derzeit zwischen acht und zehn Prozent.

Nepp: Man befreie sich von den Klauen des Wahnsinns.
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Wohl deshalb dreht sich keine der Reden lange um das Coronavirus, schnell ist man bei den blauen Kernthemen. Da spricht Kickl von "terroristischen Islamisten", die man ins Land lasse, Nepp warnt vor kinderreichen "Ausländerfamilien" und übersieht dabei, dass genau so eine Familie im Publikum steht, FPÖ-Luftballons an den Kinderwagen gebunden.

Auf dem Viktor-Adler-Markt fühlt sich die FPÖ zu Hause, zahlreiche Wahlveranstaltungen hat sie hier schon abgehalten. Der heutige Abend ist eine Auftaktveranstaltung für die zweitägige Klubklausur, für die sich die Partei ab Mittwoch nach Bad Blumau zurückziehen will.

Hofer stolz: Er habe heute schon viele Hände geschüttelt.
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Stenzel: "Strache ist ein Problem"

Als Hofer ("Der Mann, den wir alle lieben", ruft Sänger Otti) die Bühne betritt, spielt die John Otti Band "Wir sind eine große Familie". Nur über Ex-Familienmitglied Heinz-Christian Strache, der nach der Ibiza- und der Spesenaffäre aus der FPÖ geworfen wurde und nun mit dem Team HC Strache gegen seine alten Mitstreiter antritt, spricht auf der Bühne niemand.

Eine Gegendemo wurde von Hofer vielbeachtet und vielverspottet.
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Im Publikum schon. Da sagt die blaue Stadträtin Ursula Stenzel auf die Frage, ob Strache bei der Wahl ein Problem darstellen werde: "Er wird keines darstellen, er stellt ein Problem dar." Nachsatz: Das zu leugnen wäre dumm. Doch wenn das Wählerpotenzial für die FPÖ nun halbiert sei, müsse man eben die "Luft nach oben" nutzen.

Das Publikum generell ist vornehmlich männlich und irgendwo in den Fünfzigern. Da reiht sich Lederhose neben Sakko und Schmiss neben Gesichtstattoo, dazu in manchen Fällen Dosenbier und Leberkäse. Die Stimmung ist gut, zumindest nachdem John Otti "die Stimmungsbombe platzen" hat lassen.

Kickl will Gutscheine für ganz Wien

Applaus schenkt die Menge Hofer etwa dann, wenn er sich den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán zum Vorbild nimmt: Der sei ein "Freund Gottes und der Menschen". Und als er Gegendemonstranten dafür auslacht, dass sie ihre Schilder aus Amazon-Kartons gebastelt haben. Oder jedes Mal, wenn ein Witz über Finanzminister Blümel und die fehlenden Nullen gemacht wird – und das ist mehrmals der Fall.

Nach dem Sager "Ich fürchte mich nicht vor Corona, Corona ist nicht gefährlich. Da ist der Koran gefährlicher, meine Lieben, als Corona" – auch der fiel auf der Bühne von Hofer – wurden sogar Rufe nach rechtlichen Konsequenzen laut. Tags darauf forderte der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Ümit Vural, eine Prüfung durch die Staatsanwaltschaft: Es stehe der Verdacht der Verhetzung und der Herabwürdigung religiöser Lehren im Raum, schrieb er in einer Aussendung am Mittwoch.

Gutschein für alle

Am Dienstag wird es in den Reden erst eher konkret, als Kickl fordert, dass jeder Wiener und jede Wienerin einen 1.000-Euro-Gutschein bekommen soll, der dann in Wien verbraucht werden müsse. Weil: "Einen Gastrogutschein, der nicht fürs Bier gilt – das hätt's unter dem Häupl nicht gegeben", sagt Kickl.

Zum Abschied singen Nepp und Hofer erst die österreichische Nationalhymne – ob die gegenderte Version oder nicht, hört man nicht, die Mikros sind aus – und dann, gemeinsam mit der John Otti Band, die eigene: "Immer wieder Österreich". Im Publikum sagt ein Mann: "Zehn Prozent wären optimistisch." (Gabriele Scherndl, 16.6.2020)