Die für die Arbeitsagenden zuständige Ministerin Christine Aschbacher (ÖVP) gedenkt zurzeit nicht, das Arbeitslosengeld zu erhöhen.
Foto: Christian Fischer

Obwohl hunderttausende Beschäftigte in Österreich zur Kurzarbeit angemeldet sind, befindet sich die Arbeitslosigkeit auf einem seit den unmittelbaren Nachkriegsjahren nicht mehr erreichten Stand. Im März schnellte die Arbeitslosenquote laut AMS-Berechnung auf über zwölf Prozent und hat seither auch nur leicht nachgegeben.

Der massive Anstieg der Arbeitslosigkeit hat eine Debatte über die Erhöhung des Arbeitslosengeldes nach sich gezogen. SPÖ und FPÖ fordern etwa die Erhöhung der Nettoersatzrate – also wie viel Prozent vom letzten Nettogehalt man vom AMS ausgezahlt bekommt – von derzeit 55 auf 70 Prozent (wobei es zu den 55 Prozent Zuschläge bei geringem Verdienst und für Kinder gibt). Die Bundesregierung hat eine Erhöhung der Nettoersatzrate allerdings vorerst abgelehnt. Kommen wird hingegen eine Einmalzahlung von 450 Euro.

In der Wahrnehmung der österreichischen Bevölkerung haben Arbeitslose hierzulande einen relativ passablen Lebensstandard. Auf einer Skala von 0 ("äußerst schlecht") bis 10 ("äußerst gut") bewerten ihn die Befragten des European Social Survey 2016 mit einem Durchschnittswert von 5,4 (siehe Grafik unten). Das mag kein berauschender Wert sein – es ist aber der höchste (!) unter allen 21 Ländern in dieser Befragung. Nirgendwo sonst wird also der Lebensstandard von Arbeitslosen höher eingeschätzt.

Demgegenüber nehmen sich die 55 Prozent Nettoersatzrate im europäischen Vergleich eher mittelmäßig aus. Nicht nur wohlhabende Länder wie die Niederlande oder Belgien haben deutlich höhere Raten, auch Staaten wie Litauen oder Portugal liegen weit über dem österreichischen Level.

Während wir den Lebensstandard von Arbeitslosen in Österreich also höher einschätzen, als das Befragte anderswo tun, sind die Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung bestenfalls europäischer Durchschnitt.

Einschränkend muss man sagen, dass man natürlich das Lohngefälle zwischen den einzelnen Ländern nicht außer Acht lassen darf. Auch wenn man die Lage von Langzeitarbeitslosen betrachtet, ändert sich das Bild drastisch: Nach drei Jahren Arbeitslosigkeit hat Österreich (dank Notstandshilfe) die höchste Nettoersatzrate in Europa (siehe auch hier).

Dennoch legen diese Daten den Schluss nahe, dass bei der Frage, wie gut oder schlecht Arbeitslose in Österreich leben, eine Lücke klafft zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 17.6.2020)