Die Zusammensetzung aus Aufnahmen des Hubble Teleskops zeigt einen "Ring" von Dunkler Materie in einem Galaxienhaufen.

Foto: NASA, ESA, M.J. Jee and H. Ford (Johns Hopkins University)

Es war eine heiße und klare Sommernacht im Kitt-Peak-Observatorium in den Bergen von Südarizona im Jahr 1968, als die Astrophysiker Vera Rubin und Kent Ford eine entscheidende Beobachtung machten, deren Konsequenzen Physiker bis heute beschäftigen. Das Forscherduo beobachtete wieder einmal die Sterne der Andromedagalaxie, um deren Geschwindigkeit zu bestimmen. Diesmal sollte es ihnen zum ersten Mal auch tatsächlich gelingen. Doch das Ergebnis für die Rotationsgeschwindigkeit der Sterne in der Galaxie verblüffte die Astronomen.

Denn die äußeren Sterne der Andromedagalaxie rotierten mit derselben Geschwindigkeit wie jene im Zentrum. Plausibel wäre gewesen, dass die Sterne im Inneren schneller rotieren als jene am Rand, wegen der konzentrierten Masse im Zentrum. Die Beobachtung war nur erklärlich, wenn es eine zusätzliche Masse zu jener der sichtbaren Sterne gab. Und so lieferten Rubin und Ford ihren ersten von vielen experimentellen Hinweisen auf die sogenannte Dunkle Materie. Dieses Konzept war 1933 vom Schweizer Astronom Fritz Zwicky geschaffen worden – gewissermaßen als Hilfsgröße, um die fehlende Schwerkraft zu erklären, die nötig war, um einen von Zwicky beobachteten Galaxienhaufen zusammenzuhalten.

Versteckte Teilchen

Die Dunkle Materie ist heute ein anerkanntes Konzept in der Physik. Es braucht sie, um zu erklären, wie Galaxien entstanden sind, wie sie sich verhalten und auch warum sie nicht auseinanderfliegen. Physiker gehen davon aus, dass sie 25 Prozent der Gesamtenergiedichte im Universum ausmacht und über 80 Prozent der gesamten Masse. Wir wissen also, dass die Dunkle Materie existieren muss. Wir wissen aber nicht, was sie ist.

Aus diesem Grund werden seit den 1980er-Jahren Experimente durchgeführt, um nach Teilchen zu fahnden, aus denen sich die Dunkle Materie zusammensetzt – bislang jedoch ohne Erfolg. Kathryn Zurek, Professorin für Theoretische Physik am California Institute of Technology (Caltech), hat begonnen, einen neuen Ansatz zu verfolgen. Vor über zehn Jahren schlug sie vor, dass Dunkle Materie aus "hidden-sector"-Teilchen besteht – diese hypothetischen Teilchen wechselwirken kaum mit den uns bekannten Teilchen und haben eine extrem geringe Masse, wodurch sie bislang versteckt geblieben sind.

Nachweis per Quasiteilchen

Wie ein Team um Zurek diese Woche im Fachblatt "Physical Review Letters" bekannt gab, könnte es eine theoretische Möglichkeit geben, diese versteckten Teilchen experimentell nachzuweisen – und zwar in einem relativ kompakten Versuchsaufbau unter Wasser. "Dunkle Materie durchströmt uns ständig. Wenn wir uns entlang des Zentrums der Galaxie bewegen, bleibt dieser stetige Wind der Dunklen Materie meist unbemerkt. Doch wir können diesen Wind der Dunklen Materie nutzen, um eine Möglichkeit zu finden, die seltenen Wechselwirkungen zwischen Dunkler Materie und einem Detektor aufzuspüren."

Die Forscher schlagen vor, die versteckten Teilchen per Magnon-Quasiteilchen nachzuweisen. In einem Laborexperiment könnte nach Spuren von Magnonen, die durch Dunkle Materie angeregt worden sind, gesucht werden – so die Idee. "Wenn die Dunkle Materie-Teilchen leichter sind als Protonen, ist es sehr schwierig, ihre Signale mit konventionellen Methoden nachzuweisen", sagt Studienautor Zhengkang Zhang, Postdoc am Caltech. Es gibt aber Modelle, wonach Dunkle-Materie-Teilchen Magnonen erzeugen könnten. "Wenn wir die Hintergrundgeräusche verringern, indem wir das Experiment bei sehr niedrigen Temperaturen durchführen und es Unterwasser bringen, können wir darauf hoffen, Magnonen zu detektieren, die ausschließlich auf Dunkle Materie und nicht durch herkömmliche Materie zurückgehen", sagt Zhang.

Derzeit existiert das Experiment nur auf dem Papier, die tatsächliche Durchführung scheint aber durchaus realistisch. Der Vorschlag reiht sich damit in eine Vielzahl an Ansätzen ein, Licht in die Dunkel Materie zu bringen. "Wenn wir bedenken, wie wenig wir über die Dunkle Materie wissen", sagt Zhang, "ist es den Aufwand wert, alle Fährten zu verfolgen". (Tanja Traxler, 17.6.2020)