Innenminister Karl Nehammer will an dem von den Neos immer wieder kritisierten Kickl-Beschluss festhalten.

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Wien – Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ging am Mittwoch eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), seinen Vorgänger Herbert Kickl (FPÖ) und den Bürgermeister der oberösterreichischen Stadt Steyr, Gerald Hackl (SPÖ), ein. Die LGBTI-Bürgerrechtsorganisation Rechtskomitee Lambda hat diese mit dem Vorwurf eingebracht, dass sich alle drei weigerten, rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen zum dritten Geschlecht nachzukommen.

Ein Sprecher der WKStA bestätigt gegenüber dem STANDARD, dass eine Anzeige mit einem derartigen Inhalt eingegangen sei, er könne jedoch keine Namen nennen. Es ginge jetzt einmal darum, Zuständigkeiten und den Anfangsverdacht zu überprüfen.

Der Fall Alex J.

Der Verfassungsgerichtshof hatte Ende Juni 2018 jenen Personen, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind, das Recht auf einen eigenen Geschlechtseintrag zugestanden. "Inter" als Geschlechtsbezeichnung im Melderegister oder Urkunden ist somit zulässig. Das oberösterreichische Landesgericht urteilte daraufhin, dass im konkreten Fall von Alex J. dieser im Melderegister als "inter" einzutragen ist. Dieser Eintragung sei der Steyrer Bürgermeister Hackl aber nie nachgekommen, heißt es bei Lambda.

Der damalige Innenminister Kickl habe außerdem gegen dieses Erkenntnis Revision erhoben und aufschiebende Wirkung beantragt, was vom Verwaltungsgerichtshof im Dezember 2018 zurückgewiesen wurde. Kickl erteilte daraufhin die Anweisung, als dritten Geschlechtseintrag "divers" zuzulassen. Der sogenannte Kickl-Erlass erschwert die Eintragung außerdem dahingehend, als dass er von diesen Personen ein medizinisches Gutachten verlangt.

Diese Gutachten sollen durch eigens zusammengestellte Boards erstellt werden, doch diese gebe es bis zum heutigen Tag nicht, kritisierte LGBTIQ+-Sprecher Yannick Shetty von den Neos auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Lambda-Präsident und Rechtsanwalt Helmut Graupner. Dies sei ein "schikanöser und verfassungswidriger Bürokratismus", betonte Shetty. Die Neos fordern via Entschließungsantrag neuerlich dessen Abschaffung.

Der aktuelle Innenminister Nehammer hielt vergangenen April in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage fest, dass die "fachlichen Empfehlungen zur Eintragung des BMI in Bezug auf Varianten der Geschlechtsentwicklung den im Sinne des Höchstgerichts verfassungskonformen, bundesweit einheitlichen Vollzug des Personenstandsrechts in diesem Bereich gewährleisten" – es also keiner Überarbeitung bedürfe. Gegenüber dem STANDARD sagte eine Sprecherin des Innenministers am Mittwoch, dass gemeinsam mit dem Gesundheitsressort an einer Überarbeitung des Erlasses gearbeitet werde.

"Rechtsverweigerung"

"Trotz der rechtskräftigen Urteile beider Höchstgerichte sowie zweier rechtskräftiger Entscheidungen des oberösterreichischen Landesverwaltungsgerichts weigern sich Innenminister Nehammer und der Bürgermeister von Steyr hartnäckig, den Geschlechtseintrag in das gerichtlich angeordnete 'inter' zu berichtigen", heißt es in der Aussendung weiter.

Die NGO wandte sich deshalb an die WKStA. "Nach zwei Jahren offener Rechtsverweigerung bleibt kein anderer Weg mehr als die Strafanzeige gegen die verantwortlichen Amtsinhaber", schreibt Graupner. (and, 17.6.2020)