Möge sie keinen Einlass finden: die Wanze Triatoma infestans.
Foto: Dorian Dörge

Über 3.000 Wanzenarten haben auf unserem Kontinent ihre natürliche Heimat, ob in Wäldern, auf Wiesen ... oder mitunter leider auch in unseren Betten. Trotz dieser Vielfalt an Spezies und Lebensweisen scheint aber immer noch genug Platz genug zu sein, dass eine der geschätzt 37.000 außereuropäischen Wanzenarten dazustößt. Als besonders lästige Invasorin hat sich in den vergangenen Jahren etwa die als Stinkwanze berüchtigte Marmorierte Baumwanze erwiesen.

So lästig – und für die Landwirtschaft schädlich – die aus Ostasien stammende Stinkwanze aber auch ist, ein paar ihrer entfernten Verwandten aus Südamerika wollen wir in Europa noch viel weniger haben. Raubwanzen, die so wie die uns vertrauten Bettwanzen Blut saugen, übertragen dort nämlich die Chagas-Krankheit, die im Ernstfall gravierende gesundheitliche Probleme verursachen kann.

Die Krankheit

Eigentlicher Auslöser der auch Amerikanische Trypanosomiasis genannten Krankheit ist der Einzeller Trypanosoma cruzi. Verschiedene Raubwanzen aus den Gattungen Triatoma, Rhodnius und Panstrongylus fungieren als Zwischenwirt, indem sie den Erreger mit dem gesaugten Blut eines infizierten Opfers aufnehmen. Nach einer Entwicklungszeit im Darm der Wanzen werden die Parasiten mit dem Kot ausgeschieden. Durch den starken Juckreiz, den der Stich der Wanzen auslöst, reibt man sich den hochinfektiösen Kot dann ungewollt in die Wunde. Und eine Übertragung durch Aufnahme von mit Raubwanzenkot kontaminiertem Essen ist zu allem Überfluss auch noch möglich.

Die akute Phase der Krankheit Chagas verläuft meist unauffällig, wie die Universität Frankfurt am Main berichtet. Nur in jedem dritten Fall verursachen die Einzeller überhaupt Symptome, und die sind meist unspezifisch: Fieber, Nesselsucht, Bauchschmerzen oder geschwollene Lymphknoten. Doch die Parasiten bleiben im Körper, und mehrere Jahre später kann die chronische Krankheit lebensbedrohlich werden. Folgen sind etwa eine krankhafte Vergrößerung des Herzens und eine fortschreitende Lähmung des Magen-Darm-Trakts. Ohne Behandlung kommt es in einem Zehntel der Fälle zum Tod.

Normalerweise keine Direktübertragung

Eine Impfung gegen die Chagas-Krankheit gibt es nicht. Weltweit sind nach Schätzungen der WHO etwa sechs bis sieben Millionen Menschen infiziert, davon etwa 4,6 Millionen in Lateinamerika. Die über 300.000 Betroffenen in den USA und etwa 80.000 in Europa haben sich ebenfalls dort infiziert.

"Es leben in Europa zwar Menschen, die in Lateinamerika mit Chagas infiziert wurden und unwissentlich Träger von Trypanosoma cruzi sind. Auf andere Menschen übertragen werden kann der Parasit jedoch derzeit nur zum Beispiel über ungetestete Blutkonserven oder von einer Mutter auf ihr ungeborenes Kind", sagt Sven Klimpel von der Uni Frankfurt. Abgesehen von diesen Sonderfällen ist der Einzeller auf Wanzen als Zwischenwirte angewiesen.

Der Boden wäre bereitet

Einfach um Lateinamerika einen Bogen zu machen, ist mittlerweile allerdings keine Garantie mehr dafür, nie mit einer Chagas-Wanze in Berührung zu kommen. So wurde die Wanzenart Triatoma rubrofasciata bereits in andere tropische Regionen verschleppt. Klimpel und die Parasitologin Fanny Eberhard haben sich nun das Potenzial weiterer Spezies angeschaut, neue Regionen zu besiedeln – nämlich Triatoma sordida und die wichtigste Überträgerin Triatoma infestans. In die Modellrechnungen der Forscher flossen insbesondere Daten über Temperatur und Niederschlagsmuster ein, um die klimatische "Eignung" einer Region für Raubwanzenbefall festzustellen.

Es zeigte sich, dass neben Lateinamerika auch Zentralafrika und Südostasien geeignete Lebensbedingungen für Chagas-Wanzen bieten. Aber nicht nur: T. sordida und T. infestans würden mittlerweile auch in klimatisch gemäßigten Regionen im südlichen Europa gute Lebensumstände vorfinden – etwa in Portugal, Spanien, Frankreich oder Italien. Werden sie dort mit dem internationalen Waren- und Personenverkehr versehentlich eingeschleppt, könnten sie sich also etablieren. "Ausgehend von unseren Daten wären daher Monitoring-Programme für die Verbreitung der Chagas-Wanzen denkbar. Ebenso könnte eine Meldepflicht für die Chagas-Krankheit hilfreich sein", sagt Klimpel. (red, 21.6.2020)