Es ist eine besondere Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet die durch das Coronavirus erzwungene Vollbremsung des Schulsystems nun zum Tempomacher in Sachen Digitalisierung der Schule werden soll. Zynisch hingegen ist es, dass es das Homeschooling gebraucht hat, um zu zeigen, wie sehr das österreichische Bildungssystem in weiten Teilen noch digitale Wüste ist – und welche sozialen Verwerfungen dahinter verborgen sind.

Es war eine digitale Lotterie, ob die zuständige Lehrerin netzaffin und versiert ist oder ob der Klassenlehrer zur Fraktion der Digitalskeptiker oder gar -verweigerer gehört. Die Palette reichte von ein paar kopierten Zetteln bis hin zu elaborierten und ambitionierten Youtube-Tutorials.

Das österreichische Bildungssystem ist in weiten Teilen noch digitale Wüste.
Foto: APA/Computer für Alle

Auf der anderen Seite machte die Corona-Zeit soziale Benachteiligung, die es schon vorher gab, überdeutlich kenntlich: Ohne Hilfe von Eltern und ohne Endgeräte oder WLAN waren viele Kinder monatelang zur Hilflosigkeit verdammt.

Diese Verlorenheit ist mehr als nur ein Corona-Moment, und sie ist nicht aufzulösen, indem man, wie Türkis-Grün vorhat, allen Kindern ab der fünften Schulstufe ein – im Unterschied zu Kreiskys Gratisschulbuch – ohnehin nur Fast-gratis-Tablet in die Hand drückt. Das verkennt, dass auch die mit so vielen Verheißungen überfrachtete digitale Alphabetisierung, die als Notwendigkeit niemand infrage stellt, so wie jedes andere Bildungsprojekt eine wichtige soziale Dimension hat, die in der realen, analogen Welt verhandelt werden muss. Das auszublenden wäre fatal. (Lisa Nimmervoll, 17.6.2020)