J. K. Rowlings Tweet, in dem sie sich über die Formulierung "menstruierende Personen" lustig macht, hat wieder einmal zu Diskussionen über die Frage geführt, was denn eigentlich genau eine "Frau" ist. Es gibt eine recht große Gruppe von Feministinnen, die darauf bestehen, dass nur Menschen mit weiblichen Genitalien/reproduktiven Körpern wirklich Frauen sein können.

Auch wenn ich mich schon ab und zu in diese Diskussion eingemischt habe (zum Beispiel hier), so stört mich das Ganze inzwischen doch sehr, weil kaum noch Argumente ausgetauscht werden. So wie man es ja auch in Rowlings Tweet sieht – sie bringt keine Argumente dafür, warum sie es albern findet, von menstruierenden Personen zu sprechen, sondern sie setzt auf die billigen Lacher ihrer Anhänger*innen – der gesunde Menschenverstand weiß doch, was für ein Blödsinn das ist. Auch die Gegenseite argumentiert allerdings nicht immer gerne. Ich selbst werde regelmäßig als "transfeindlich" kategorisiert, zum Beispiel wenn ich die unkritische Aneignung des Vaterbegriffs durch Transmänner kritisiere. Da zählen dann ebenfalls keine Argumente, sondern nur – ja, keine Ahnung, was eigentlich.

Der Begriff Frau war lange Zeit nur Ehefrauen vorbehalten.
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Eine Erklärung dafür, was bei dieser ganzen Diskussion schiefläuft und, vor allem, warum sie so schiefläuft, findet sich für mich in einem Artikel, den Dorothee Markert dazu gerade veröffentlicht hat. Sie schildert darin ihre Erfahrung in der Frauenbewegung der 70er-Jahre in Freiburg und welche Bedeutung damals der Begriff "Frau" hatte. (Es wäre für das Verständnis des Folgenden sinnvoll, wenn man Dorothees Text erst liest und dann hier weiter, Anm.)

Frau, Mädchen, Fräulein, Weiber

Mir war nicht klar, wie prekär die Bezeichnung "Frau" noch bis vor wenigen Jahrzehnten war. Dass sie eben gerade nicht allen Menschen, die menstruieren, zustand. Unverheiratete Frauen zum Beispiel wurden "Mädchen" oder "Fräulein" genannt, ältere, unbotmäßige Frauen wurden "Weiber" genannt, und auch die wirklichen "Frauen" (also Ehefrauen) durften eigentlich nur von ihrem eigenen Mann so genannt werden.

Mir kommt gerade zusätzlich zu dem, was Dorothee beschreibt, noch die Idee, dass hier vielleicht auch ein Grund dafür zu finden ist, warum die Übernahme des Familiennamens des Mannes bei der Heirat so vehement verteidigt wurde: In dem Ausdruck "Frau Meier" (als Bezeichnung für die Person, die mit Herrn Meier verheiratet ist) rekurriert der Begriff "Frau" ja ebenfalls nicht auf die Person selbst, sondern auf ihre Beziehung zu Herrn Meier. Mit dem Thema Namen sind wir daher noch lange nicht durch. Dorothee hat nämlich auch recht mit ihrer in dem Artikel nur beiläufigen Bemerkung, dass es eigentlich ein Skandal ist, dass wir Männer immer noch als "Herren" anreden (das Äquivalent zu "Frau Schrupp" wäre ja nicht "Herr Meier", sondern "Mann Meier"). Zum Thema Namen schrieb Maria Coors kürzlich sehr interessante Beobachtungen.

Frau als politisches Subjekt

Aber zurück zum Begriff "Frau" und den Anfängen der Frauenbewegung. Dorothee beschreibt das Geschehen damals so, dass Feministinnen sich den Begriff "Frau" als "Ehrentitel" angeeignet hätten. Denn anfangs sprachen auch sie selbst von sich noch als "Mädchen". Dass der Begriff "Frau" nicht mehr nur für Ehefrauen stand, sondern für alle "menstruierenden Personen", also auch für Lesben, für Unverheiratete, für junge Frauen, das war eben nicht selbstverständlich, sondern für sich genommen schon ein Erfolg des Feminismus. "Frau" wurde als politisches Subjekt installiert: in Abgrenzung zur patriarchalen Bezogenheit auf Männer, dafür aber in Anbindung an das weibliche Begehren.

Und beim Lesen von Dorothees Text wurde mir klar, dass genau das mein Unbehagen an dieser heutigen Debatte über das Wort "Frau", und wer genau damit gemeint ist und wer nicht, deutlich macht. Für mich ist dieses Wort ein politisches Wort, es umreißt ein freies, handelndes Subjekt, gewissermaßen ein "feministisches Subjekt" – nicht in dem Sinn, dass ich finde, alle Frauen seien Feministinnen oder müssten es sein, sondern in dem Sinn, dass mich als Differenzfeministin und Politikwissenschafterin das freie Handeln von "Frauen" interessiert.

In Differenz und in Dissidenz zu den Herrschenden

Deshalb bestehe ich darauf, dass Frau etwas anderes bedeutet als "Menschenweibchen", dass es aber eben auch etwas anderes bezeichnet als die Zuschreibung einer Kategorie im Rahmen einer binären Kultur. Beide Ansätze verschenken meiner Ansicht nach das genuin politische Potenzial des Feminismus, nämlich durch den selbstbewussten und freien Bezug von Menschen, die bis dato aus der Norm des Männlichen ausgeschlossen waren, auf genau diese gesellschaftliche Kategorie eine Differenz zu markieren, die eine Kritik an den überkommenen Verhältnissen impliziert.

Menschen, die sich Frauen nennen (gerade auch dann, wenn ihnen dieser Titel durch eine traditionelle patriarchale Kultur verweigert wurde), positionieren sich anderswo als an dem Ort, der ihnen zugewiesen wurde. Aber gleichzeitig positionieren sie sich nicht auf der Seite der Herrschenden, der Norm, sondern in Differenz und in Dissidenz dazu. Das ist Feminismus: zu verstehen, dass weder "die Natur" noch "die Gesellschaft" hier das letzte Wort hat, sondern dass es darum geht, dass wir selbst das Wort ergreifen.

Genau dazu aber braucht es Offenheit, Austausch, Kontroverse, Differenz unter Feministinnen. Vermittlungsarbeit eben. Was es nicht braucht, das sind Sprechverbote, Lächerlichmachung, Grabenkämpfe und Ideologien. (Antje Schrupp, 18.6.2020)