Republik soll ORF Gebührenbefreiungen abgelten – oder es brauche GIS-Gebühr, sagt Stiftungsrat Heinz Lederer (SPÖ).

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75 Millionen Euro Sparpaket durch Corona und Krise beschäftigen das oberste ORF-Organ kommende Woche. Solche Einsparungen wird auch das Publikum im Programm bemerken, heißt es im ORF. Update: So soll etwa Peter Kliens Satireshow "Gute Nacht Österreich" eingestellt werden. SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer fordert im STANDARD-Gespräch eine Abgeltung der Gebührenbefreiungen – oder eine Erhöhung der GIS. Parallel arbeitet das Kanzleramt nach STANDARD-Infos an einer ORF-Novelle, die Österreichs größtem Medienhaus online mehr erlauben soll als bisher.

Lederer fordert mehr Geld für den ORF

Heinz Lederer, Sprecher der SPÖ-Fraktion im ORF-Stiftungsrat, verweist auf millionenschwere Folgewirkungen der Corona-Krise auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Nach ORF-internen Prognosen (DER STANDARD berichtete) erwartete das Management für 2020 im noch optimistischeren Szenario rund 40 Millionen Euro weniger Werbeeinnahmen, rund zehn Millionen Euro weniger GIS-Einnahmen, rund zehn Millionen zusätzliche Kosten für Corona-Sicherheitsmaßnahmen und weitere rund zehn Millionen für zusätzliche Programme. Dafür wurden rund 30 Millionen Euro für Sportrechte (Fußball-EM, Olympische Sommerspiele) ins nächste Jahr verschoben – aber dann kosten sie auch extra. Daraus ergibt sich das 75-Millionen-Sparpaket.

Dem Hinweis auf öffentlich unterstützte Kurzarbeit im ORF begegnete ORF-General Alexander Wrabetz zuletzt im ORF-Publikumsrat mit – im Gegensatz zu Privaten – kostenlos geschalteten Corona-Infospots im ORF. Er sprach von einem Werbewert von rund zehn Millionen Euro. Die dreimonatige Kurzarbeit soll dem ORF rund 6,3 Millionen aus reduzierten Personalkosten und AMS-Unterstützung bringen.

Gebührenbefreiungen abgelten

"Es kann nicht sein, dass der ORF an der langen Hand verhungert", sagt Lederer im Gespräch mit dem STANDARD. Das Unternehmen stehe "unverschuldet" wegen Covid vor einem "riesigen Sparprogramm". "Die Regierung muss eine Lösung finden, Fluglinien wird ja auch geholfen" für den "rot-weiß-roten Heckflügel". Hier gehe es um einen tatsächlich "rot-weiß-roten Sender".

Welche Lösungsmöglichkeiten sieht Lederer da? "Ich halte eine befristete Gebührenrefundierung für den besten Weg", erklärt der Kommunikationsberater. Die Republik hat dem ORF schon einmal – 2010 bis 2013 – einen wesentlichen Teil der Mittel abgegolten, die ihm durch Gebührenbefreiungen etwa aus sozialen Gründen entgehen. 2010 und 2011 erhielt der ORF je 50 Millionen aus dem Staatsbudget, 2012 und 2013 je 30 Millionen Euro. Die mit der Corona-Krise massiv gestiegene Arbeitslosigkeit schlägt sich (DER STANDARD berichtete) auch in steigenden Gebührenbefreiungen nieder.

Die Alternativen für die Abgeltung aus Lederers Sicht:

  • Eine Haushaltsabgabe wie in Deutschland und der Schweiz für alle Haushalte unabhängig von Rundfunkempfang und ORF-Nutzung.
  • Eine GIS-Gebühr auch für Streaming – bisher ist die internetbasierte Streamingnutzung von ORF-Inhalten gebührenfrei, weil kein Rundfunk.
  • Eine Erhöhung der GIS-Gebühr.

Keine GIS-Erhöhung geplant

Eine Haushaltsabgabe oder andere Erweiterungen der GIS-Gebühr lehnt die ÖVP bisher sehr entschieden ab, damit ist kaum zu rechnen. Und eine Erhöhung der Rundfunkgebühr? Ist nicht geplant, heißt es an sachkundiger Stelle im ORF auf STANDARD-Anfrage.

Gebührenfrage im Herbst 2021

Die Anfrage bezog sich auf den Zeitraum vor Herbst 2021. Denn dann steht das Thema GIS-Gebührenhöhe jedenfalls an: Alle fünf Jahre muss der ORF der Medienbehörde KommAustria laut ORF-Gesetz vorrechnen, wie viele Gebühren er braucht, um den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen. De facto bedeutet das eine Berechnung, wie viel mehr Gebühren mehr als bisher er braucht.

Im Sommer 2021 bestellt der ORF-Stiftungsrat die ORF-Führung ab 2022. ORF-General Wrabetz hat Gebührenanträge schon bisher stets nach ORF-Wahlen gestellt, zuletzt 2016 nach seiner zweiten Wiederbestellung im August dann im Spätherbst. Mit 1. April 2017 wurden die GIS-Gebühren dann um 6,5 Prozent erhöht (Wrabetz beantragte zunächst 7,7 Prozent).

Länder-Stiftungsrat gegen "Rasenmäher"-Sparen

Das 75-Millionen-Sparpaket alarmiert etwa auch Stiftungsräte der Bundesländer, die sich um ihre Landesstudios ob geplanter millionenschwerer Kürzungen sorgen.

"Es hat keinen Sinn, mit dem Rasenmäher quer über alle ORF-Bereiche zu gehen", sagt Matthias Limbeck im STANDARD-Gespräch, er ist vom Land Salzburg in den Stiftungsrat entsandt. Er sieht Stärken und Chancen des ORF in Information, Regionalität und im Streamingprojekt ORF-Player, die das anstehende Sparpaket nicht gefährden dürfe.

In Budgetverhandlungen fehlen noch Millionen

Die ersten Sparvorgaben der ORF-Führung sahen nach STANDARD-Infos neben rund acht Millionen Euro weniger für die Landesstudios rund zwei bis drei Millionen Euro Kürzung bei ORF 2 vor und rund 20 Millionen weniger für ORF 1. Auf den Premiumsportkanal ORF 1 kommen 2021 außerordentlich hohe Sportrechtekosten für die regulären Skiweltmeisterschaften alpin und nordisch plus Fußball-Europameisterschaft und Olympische Spiele zu.

In den Budgetverhandlungen im ORF über das 75-Millionen-Paket fehlen nach STANDARD-Infos derzeit noch einige Millionen an Einsparungen. Über den Stand wird das ORF-Management am Montag im Finanzausschuss den ORF-Stiftungsräten berichten.

2019 zweistelliges Millionenergebnis

Am kommenden Donnerstag im Plenum sollen die Stiftungsräte etwa den Jahresabschluss 2019 genehmigen. Nach früheren internen Angaben des Finanzdirektors nahm der ORF im Vorjahr gut eine Milliarde Euro (1,019) ein. Die GIS-Gebühren (mehr als 640 Millionen) fielen 4,4 Prozent höher aus als geplant, die Werbeeinnahmen 7,3 Prozent geringer. Das operative Ergebnis des ORF wurde mit rund drei Millionen Euro angesetzt, das operative Konzernergebnis bei 12,6 Millionen – mit Ausschüttungen von Tochterunternehmen und Lotterien, an denen der ORF beteiligt ist, sowie Immobilienverkäufen werden daraus 21,2 Millionen Euro.

Für 2020 rechnet der ORF mit einem Minus, nach bisherigen Kalkulationen zwischen 29 und 55 Millionen Euro.

ORF-Streamingpläne und ORF-Gesetz

Beispielhafte Visualisierung der ORF-Player-Channels und -Plattformen aus 2019.
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Kommenden Donnerstag wird die ORF-Führung den Stiftungsräten auch über den Stand der "Digitalisierung" berichten – also vor allem das Großprojekt ORF-Player, eine Streamingplattform mit Social-Media-Funktionen und -Foren.

Seinen Publikumsräten erklärte ORF-Chef Wrabetz in deren jüngster Sitzung Anfang Juni, dass "wesentliche Teile des ORF-Players gegen Jahresende starten können". Er hat das auch schon im Frühjahr 2019 für das Jahresende 2019 angekündigt.

Der Sportkanal des Players ("Sportscreen") sollte ursprünglich zu den Großereignissen in diesem Jahr starten – und wurde nun wie diese auf 2021 vertagt. Noch heuer soll nach Wrabetz' jüngsten Angaben die Nachrichtenplattform des ORF-Players starten, er sprach vom "News-Modul". Ebenfalls heuer soll der Kanal "Topos" für Wissenschaft, Bildung und Kultur on air gehen. Und insbesondere der TV-Player, eine neue TVthek mit Social-Media- und Interaktionsmöglichkeiten.

"ORF-Digitalnovelle hoffentlich bald"

Weitere Teile des Players könnten "mit der hoffentlich bald stattfindenden ORF-Digitalnovelle im nächsten Jahr starten", erklärte Wrabetz im Publikumsrat.

"ORF-Digitalnovelle hoffentlich bald": ORF-Chef Wrabetz.
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Nach STANDARD-Informationen arbeitet das Kanzleramt an einer ORF-Novelle, die insbesondere die Onlinebeschränkungen des ORF mit Blick auf den Player zurücknehmen soll. ORF-General Wrabetz hat vielfach gewünscht und gefordert, Sendungen länger als sieben Tage zum Abruf anbieten zu können. Derzeit beschränkt das ORF-Gesetz das Nachsehen auf eine Woche. Zudem verlangte Wrabetz für den Player die Möglichkeit, ORF-Produktionen und -Beiträge zuerst im Netz zu zeigen, bevor sie im Fernsehen laufen, oder eigene Beiträge für das Web zu produzieren.

Diese kleinere ORF-Novelle soll schon relativ weit gediehen sein. Im Kanzleramt winkt man auf STANDARD-Anfrage dazu aber ab: Mit einem neuen ORF-Gesetz sei erst im Herbst zu rechnen. (fid, 19.6.2020)