Der Bundesregierung ist es erneut gelungen, in einer wichtigen Frage zum korrekten Verhalten in der Corona-Zeit unsägliche Verwirrung zu stiften. Einerseits wurden die meisten Reisebeschränkungen in der EU aufgehoben, andererseits erklärt das Außenministerium Reisen in sämtliche europäische Länder zu einem "hohen Sicherheitsrisiko" und rät von allen "nicht unbedingt notwendigen Reisen in dieses Land" ab. Daraus schließen Arbeitsrechtsexperten, dass ein Urlaub außerhalb Österreichs grob fahrlässiges Verhalten darstellt, das im Falle einer Covid-19-Ansteckung zu finanziellen Einbußen und im Extremfall zum Jobverlust führen kann.

Das ist völlig überzogen, wie auch der Direktor der Arbeiterkammer, Christoph Klein, am Donnerstag erläuterte. Wer sich im Urlaub vernünftig verhält, geht weder in Italien noch in Kroatien noch in Spanien ein außergewöhnliches Gesundheitsrisiko ein – jedenfalls nicht mehr als im Inland. Bergtouren in Tirol sind für Ungeübte gefährlicher, und an den wenigen frei zugänglichen Badeplätzen an Kärntner Seen könnte es sich bald so stauen wie einst vor den Ischgler Bergbahnen. Die Zahl der Corona-Fälle ist vielerorts niedriger als in Österreich, und auf Ausländer mit Infektionsrisiko wird man im Urlaub auch hierzulande treffen.

Leerer Strand in Italien.
Foto: imago/Josi Donelli

Auch Außenminister Alexander Schallenberg hat am Donnerstag erneut kleinlaut betont, man habe keine Reisewarnungen, sondern nur Reisehinweise ohne rechtliche Konsequenzen ausgegeben. Aber diese Aussage ist inkorrekt: Weder er noch die AK können ausschließen, dass Arbeitgeber erkrankten Urlaubsrückkehrern das Entgelt streichen.

Fehlinformation

Schuld daran ist das Außenministerium, das die Menschen mit einer falschen Sicherheitsstufe in die Irre führt. Statt Stufe 4 – "hohes Sicherheitsrisiko"– wäre für die meisten EU-Staaten Stufe 2 angebracht: ein Hinweis auf ein "erhöhtes Sicherheitsrisiko" mit einer Mahnung zur Vorsicht. Das tut etwa das deutsche Auswärtige Amt.

Über die Gründe für die Fehlinformation kann man nur rätseln. Vielleicht ist es schlampige Faulheit: Die ganze Welt zur Gefahrenzone zu erklären ist einfacher, als das Corona-Risiko Region für Region zu beurteilen. Aber eine solche Pauschalwarnung ist genauso sinnlos wie ein Feueralarm, der ständig läutet, weil irgendwann ein Brand ausbrechen könnte.

Oder steht dahinter gar die Absicht, alles zu tun, damit heimische Urlauber im Inland bleiben und ausbleibende Auslandsgäste ersetzen? Viele bisherige Aussagen und Entscheidungen von Ministern deuten darauf hin.

Schon jetzt gerät die Regierung unter Beschuss, weil sie zu Beginn der Corona-Maßnahmen die Bürger in der Frage, was erlaubt sei und was nicht, irregeführt hat. Doch diente das böse Mittel damals zumindest einem guten Zweck: Die Menschen blieben zu Hause, ohne dass ihre Freiheit so stark wie etwa in Italien oder Frankreich eingeschränkt wurde. Irreführung zur Belebung der heimischen Hotellerie wäre etwas anderes – nämlich ein echter Skandal. (Eric Frey, 18.6.2020)