Die Wiener Künstlerin Sophie Utikal umgibt sich mit Pink, Lila und braunen Körpern. Selbiges trifft auch auf ihre Wohnung im 20. Bezirk zu. Doch die Tage am Augarten sind gezählt. Bald übersiedelt sie nach Berlin.

"Meine Mutter stammt aus Kolumbien, und obwohl ich selbst nur ein paarmal zu Besuch dort war, haben mich das Land und seine Kultur doch mitgeprägt. Zur kolumbianischen Tradition gehören die sogenannten Arpilleras. Das sind genähte Stoffbilder, die alltägliche Motive darstellen: Tiere, Bäume, Kochen, Essen, Autos, Landschaften, Marktszenen. Mir gefällt, dass die Arpilleras in ihrer Darstellung leicht und verspielt sind, man findet sie in vielen Häusern und Wohnungen. Während der chilenischen Pinochet-Diktatur dienten sie als Medium des kollektiven Protests: Viele Frauen haben sich getroffen, um trotz drohender Sanktionen über das Verschwinden und die Ermordung ihrer Kinder in ihren handgenähten Bildern zu erzählen.

Sophie Utikal mit Hündin Lili vor ihrer Kunst, in der sie die Protagonistin ist.
Foto: Lisi Specht

2016, nach meiner ersten Reise nach Kolumbien, haben diese textilen Bilder den Weg in mein eigenes Leben gefunden. Gründe dafür gibt es viele: Ich kann mich in den Nähbildern so ausdrücken, wie es mir entspricht, ich lebe mich darin mit meiner Vorliebe für Formen und Farben aus, und ich erzähle eine Geschichte, ohne dafür Worte verwenden zu müssen. Wie man unschwer sieht, zieht sich eine gewisse Vorliebe für Pink, Rosa und Lila durch meine Arbeit.

Die wichtigste Protagonistin in diesen Werken bin ich. Mein Körper ist immer in Gänze oder zumindest in Ausschnitten darauf zu sehen. Den Großteil meines Lebens hatte ich ein schwieriges Verhältnis zu meinem Körper, denn ich habe mich in den weißen Repräsentationsstrukturen oft als Alien gefühlt. Ich bin klein, rund, braun, habe lockige schwarze Haare und einen großen Hintern. Durch die Selbstdarstellung meines Körpers in meiner Kunst habe ich es geschafft, mich mit diesen Eigenschaften anzufreunden. Ich denke, dass die Kunst in diesem Heilungsprozess eine Art Agentin ist, und mir ist es wichtig, diesen auch für andere mit einem nichtweißen Körper zugänglich zu machen.

"Pink, Rosa und Lila sind auch in meinem Alltag sehr präsent", sagt die Künstlerin Sophie Utikal.
Fotos: Lisi Specht

Pink, Rosa und Lila sind auch in meinem Alltag sehr präsent. Ich selbst trage diese Farben liebend gerne, weil sie mir gut stehen. Auch in der Wohnung schlagen sie immer wieder durch. Wirklich jahrelang habe ich nach einem lilafarbenen Ledersofa gesucht! Eines Tages bin ich im Internet fündig geworden. Die Couch gefällt nicht jedem, aber ich finde sie einfach großartig!

Eingezogen bin ich hier 2017 mit meinem damaligen Freund, von dem ich mich im Jahr darauf getrennt habe. Danach ist eine Freundin eingezogen. Die Wohnung hat rund 100 m² und liegt in der Nähe von Wallensteinplatz und Augarten. Das ist praktisch für meine Hündin Lili. Es ist ein schönes Eck von Wien, wo die Stadt etwas langsamer, etwas entspannter, etwas freundlicher ist als in anderen Bezirken. Aus den Fenstern blicke ich direkt in die Bäume. Zusammen mit den Möbeln, die ich großteils gebraucht gekauft habe, empfinde ich die Wohnung als Erweiterung meiner eigenen Person. Ich fühle mich sehr wohl hier.

Die meisten ihrer Möbel hat sie gebraucht gekauft. In den nächsten Tagen werden die Umzugskisten gepackt.
Fotos: Lisi Specht

Und dennoch werde ich die Wohnung Ende des Monats aufgeben. Ich verlasse Wien und ziehe nach Berlin. Trotz meiner Hassliebe zu dieser Stadt ist mir Wien auf Dauer zu linear, zu homogen, zu monoton. Ich brauche die Brüche, das Hybride, das städtische und kulturelle Durcheinander. Obwohl ich noch nie in Berlin gewohnt habe, habe ich da viele Freundinnen, es gibt auch viele migrantische Communitys, allein deswegen fühle ich mich da wie zu Hause. Das Einzige, was ich vermissen werde, ist das Stoffgeschäft Textilmüller in Kritzendorf, wo ich jahrelang meine Kunstmaterialien bezogen habe. Ich glaube, allein deswegen werde ich regelmäßig nach Wien fahren müssen!" (22.6.2020)