Allein die dritte, österreichweite Stufe des 1-2-3-Tickets verbilligt das Pendeln für viele Österreicher. Aber für manche wird es teurer.

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Wien – Widerstand regt sich gegen die Ankündigung von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne), das 1-2-3-Öffiticket, beginnend mit der österreichweiten dritten Stufe, in Etappen einzuführen. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) sieht "Frotzelei" und spricht aus, was mit der Materie vertraute Abgesandte der Bundesländer hinter vorgehaltener Hand seit Wochen kritisieren. Burgenländische Pendler würden diskriminiert, weil sie für Zug- oder Busfahrten zum Arbeitsplatz nach Wien das teuerste 1-2-3-Ticket kaufen müssten, um Niederösterreich zu durchqueren.

Immer die teuerste Stufe

Ob dieser Umstand eine Klage beim Verfassungsgerichtshof legitimiert, ist fraglich. Formal müssen burgenländische Pendler immer die teuerste Stufe der neuen Öffi-Jahreskarte kaufen. Tariflich werden – im Vergleich zum derzeitigen Tarifschema – aber bei weitem nicht alle Burgenländer benachteiligt. Im Gegenteil: Je nach Länge der zurückgelegten Strecke käme die neue Jahreskarte um 1095 Euro für einen Teil der pannonischen Pendler deutlich günstiger als die Zeitkarten im Verkehrsverbund Ost-Region (VOR), dem auch das Burgenland angehört.

Die Verbindung Eisenstadt–Wien etwa kostet im VOR bei Vorauszahlung 1501 Euro, ist also um 406 Euro teurer als das Österreich-Ticket. Gleiches gilt für die Strecke Neusiedl/See–Wien.

Grenzgebiete problematisch

Anders verhält es sich in Grenzgebieten. Die Pendlerei von Neudörfl an der Leitha nach Wien wäre mit dem Dreierticket teurer als jene von der Nachbarstadt Wiener Neustadt nach Wien (bei der nur zwei Bundesländer tangiert sind) – das riecht tatsächlich nach Diskriminierung.

Allerdings wären auch die Fahrten von Wr. Neustadt nach Wien mit der neuen Österreich-Jahreskarte billiger als die aktuelle VOR-Jahreskarte, die bei Vorauskassa 1501 Euro kostet. Gleiches gilt für St. Pölten–Wien mit aktuell 1663 Euro. Für Bewohner des Wiener Speckgürtels wiederum würde sich die Pendlerei mit der neuen Öffi-Jahreskarte verteuern, weil sie plötzlich zwei Bundesländer kaufen müssten.

Nach der Logik des 1-2-3-Tickets wäre der Fahrpreis für Burgenländer bei Vollausbau jedenfalls teurer als für Pendler aus Niederösterreich. denn Letztere müssten lediglich zwei Zonen des neuen 1-2-3-Tickets kaufen, also nur 730 Euro zahlen. Die Diskriminierung bestünde also darin, dass das 1-2-3-Ticket für Burgenländer noch billiger sein müsste (als im Vergleich zu den derzeitigen Tarifen).

Grundsätzliches Problem

Ob Diskriminierung oder nicht: Es geht um ein grundsätzliches Problem. Die von der SPÖ als Wahlkampfschlager getrommelte Österreich-Jahreskarte sprengt die Tarifsysteme der Verkehrsverbünde und die dahinterliegende Finanzierungsstruktur. Das dürfte den zuständigen Ländervertretern und Verkehrsträgern in der 1-2-3-Ticket-Sitzung am Montag im Verkehrsministerium so richtig klar geworden sein.

Dass der Vertrieb des neuen Tickets auch noch der ÖBB-Personenverkehr AG übertragen werden soll – deren Ticketshop war vom Rechnungshof vor Jahren als teuer und mangelhaft kritisiert worden –, dürfte das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Denn die Länder haben in ihre Verkehrsverbünde kräftig investiert, sie wurden kräftig aufgerüstet und würden mit einer Monopolisierung des neuen Öffi-Tickets beim Quasimonopolisten ÖBB auch noch amputiert. Das werden auch andere Bundesländer nicht hinnehmen und sich die Neuordnung teuer abkaufen lassen.

Den Vorwurf der Frotzelei wies das Verkehrsministerium am Donnerstag vehement zurück. Doskozil möge sich "sachlich und konstruktiv einbringen, statt polemische Parteipolitik zu betreiben", so Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP). (Luise Ungerboeck, 19.6.2020)