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Auch im westafrikanischen Burkina Faso wütet das Coronavirus. In der Hauptstadt Ouagadougou gibt es medizinische Kontrollen – aber in den Flüchtlingslagern im Norden das Landes ist das wegen der Sicherheitslage nicht möglich.

Foto: Reuters / Anne Mimault

Von den Hauptstädten, in die der Erreger meist aus Europa eingeflogen wurde, sind sie oft Tagesreisen weit entfernt. Nun aber haben mehrere Flüchtlingscamps in Afrika aber doch bereits die ersten Fälle von Infektionen mit dem Coronavirus gemeldet. Etwa in Dadaab im kenianischen Nordosten, wo weit über 200.000 somalische Flüchtlinge leben, oder im äußersten Norden Äthiopiens, wo rund 100.000 geflohene Eritreer in Lagern dahinvegetieren. An beiden Orten ist es bisher jedoch zu keinen "internen" Übertragungen gekommen: Die Virenträger konnten noch rechtzeitig identifiziert und abgesondert werden.

Im sudanesischen Norddarfur, wo sich 1,6 Millionen Menschen in Lagern für intern Vertriebene aufhalten, macht derweil eine andere Meldung Sorge. Dort berichten Gesundheitsexperten von einer stark ansteigenden Zahl von Todesfällen – vor allem außerhalb, aber auch innerhalb der Lager. Allein in einer Ecke seines Lagers seien innerhalb eines Monats 64 Menschen auf ungeklärte Weise ums Leben gekommen, berichtet der Chef des Camps Abushouk, Mohamed Hassan Adam der Agentur AP, die Anfang der Woche über die Vorfälle berichtete. Sie seien meist älter gewesen und hätten über Atemnot geklagt. Die AP brachte die Erkrankungen mit dem Coronavirus in Verbindung. Einen positiven Test gab es bisher aber noch nicht, die Verbreitung des Virus in der Region ist also nicht bestätigt.

"Wir verlieren eine ganze Generation", sagt Gamal Abdulkarim Abdullah, Chef des in Nord-Darfur gelegenen Lagers Zam Zam zur AP: Allein in der vergangenen Woche seien vermutlich mehr als 70 Menschen an den bisher unerklärten Symptomen gestorben.

Viele Mehrfachkrisen

Neun von zehn vernachlässigten Flüchtlingskrisen dieser Welt seien in Afrika zu verorten, heißt es in einer Studie des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC). Vernachlässigt bedeutet, dass kein politischer Wille der Verantwortlichen zur Beendigung der Krise auszumachen ist – und dass es sowohl an internationalem Medieninteresse wie auch an finanzieller Unterstützung mangelt.

Auf Platz eins steht der zentralafrikanische Staat Kamerun, der von gleich zwei Flüchtlingskrisen erschüttert wird: Den äußersten Norden des Landes macht die extremistische Islamistensekte Boko Haram unsicher, und im Westen streben sich vernachlässigt fühlende anglophone Kameruner eine Autonomie oder gar die Unabhängigkeit vom frankophonen Rest des Landes an. Kamerun ist der sechste Staat Afrikas, der bereits mehr als 10.000 Corona-Infizierte zu verzeichnen hat. Es handelt sich nur um eine Frage der Zeit, bis das Virus auch in den Krisenzonen angelangt ist.

Nach der Demokratischen Republik Kongo (DRC), deren Osten schon seit Jahrzehnten von zahlreichen Konflikten heimgesucht wird, nimmt der westafrikanische Staat Burkina Faso den dritten Platz auf der NRC-Liste ein. Dort schnellte die Zahl der Flüchtlinge in einem Jahr um das Zwölffache in die Höhe: Rund 850.000 Menschen mussten wegen der Umtriebe extremistischer Islamisten im Norden und Osten des Sahel-Staats ihre Heimat verlassen. Hilfsorganisationen haben Schwierigkeiten, diese Flüchtlinge zu erreichen: Die Region ist auch für humanitäre Helfer lebensgefährlich, viele der Vertriebenen irren noch im Buschland umher. Vor dem Virus sind sie dort höchstens vorübergehend geschützt: In der Hauptstadt Ouagadougou haben sich unter anderen schon vier Minister angesteckt.

Geschlossene Grenzen

Im unsicheren Norden des Landes existieren auch noch immer zwei Camps, in denen sich bereits vor acht Jahren Flüchtlinge aus dem Nachbarstaat Mali niedergelassen haben. Sie werden sowohl von Extremisten als auch von burkinabischen Soldaten regelmäßig angegriffen: Diese werfen ihnen vor, den Extremisten Unterschlupf zu bieten. Die über 15.000 Bewohner der Camps Goudoubo und Mentao würden gerne nach Mali zurückkehren, obwohl auch dort der Terror und das Virus grassieren. Doch die Grenzen sind inzwischen wegen Covid-19 geschlossen.

In den Lagern gibt es weder medizinische Hilfe noch ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln – nicht zuletzt, weil das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) nur knapp 1,5 der 12,5 Millionen von der internationalen Gemeinschaft angeforderten US-Dollar bekam. Trotzdem hat Matshidiso Moeti, Afrika-Direktorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, ihre Hoffnung nicht aufgegeben, dass die globalen Hilfswerke tätig werden, sobald das Virus in Afrikas Flüchtlingslagern wütet. "Ihre Intervention wird schlechterdings unverzichtbar sein", sagte die botswanische Ärztin auf Anfrage des STANDARD. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 19.6.2020)