700.000 Menschen, die als Kinder in die USA gekommen sind, dürfen vorerst nicht abgeschoben werden. Das entschied der US-Supreme Court am Donnerstag und widersetzte sich damit Präsident Trump. Doch auch die konservativen Richter, die der Staatschef nominiert hat, sind "gekommen, um zu bleiben".

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Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Seit er im Amt ist, trommelt Donald Trump stur eine Botschaft, wenn es darum geht, konservative Stammwähler zu überzeugen: "Denken Sie an die Richter!" Soll heißen: Wer sich mit der Art der Politik des US-Präsident sonst vielleicht nicht so anfreunden könne, der möge bedenken: Solange Trump in seinem Amt ist, wird er ausschließlich erzkonservative Richter nominieren, selbst dann, wenn die fachliche Qualifikation manchmal auf fast schon komisch-offensichtliche Weise fehlt. Gegen Abtreibung, für Waffenrechte und für Rechte von großen Firmen zu sein – das muss genügen.

Nun aber hat Trump einen Rückschlag erlitten. Gleich zweimal in dieser Woche hat der Supreme Court gegen die Wünsche des Präsidenten entschieden. Am Montag urteilte das Höchstgericht, dass das Bürgerrechtsgesetz Civil Rights Act von 1964 sich auch auf lesbische, schwule, trans- und bisexuelle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezieht und diese vor Diskriminierung in ihrem Job schützt.

Und am Donnerstag entschieden die Richterinnen und Richter gegen das Vorhaben der Trump-Regierung, den von Präsident Barack Obama gewährten Abschiebungsschutz für 700.000 Menschen aufzuheben, die als Kinder illegal in die USA gekommen sind. Beide Male auffällig: Die Sprüche kamen mit Unterstützung des konservativen Obersten Richters John Roberts zustande, der sich zunehmend zu einem Pragmatiker im sonst sehr ideologischen Gericht entwickelt. Beim Urteil in Sachen LGBT-Rechte stimmte auch der von Trump nominierte Neil Gorsuch zu.

Offene Stellen möglich

Alles gut also, könnte man meinen, mit der Gewaltenteilung in den USA – die Justiz funktioniert auch nach dreieinhalb Jahren Trump noch so, wie sie sollte, nämlich unabhängig. Das aber wäre eine ziemlich rosige Sicht. Zum einen müsste man dafür das Verhalten des Präsidenten ignorieren. Er zürnte am Donnerstagabend und sagte in einem offensichtlichen Angriff auf die unabhängige Justiz, man brauche nun wohl "neue Richter".

Bleibt Trump nach der Wahl im Herbst Präsident, wird er dieses Vorhaben womöglich umsetzen können: Zwei der liberalen Richterinnen am Supreme Court, Ruth Bader Ginsberg und Stephen Breyer, sind älter als 80. Die 87-jährige Bader Ginsburg war zuletzt immer wieder mit unterschiedlichen Leiden im Krankenhaus. Dreimal schon hat sie sich seit Ende der 1990er-Jahre Krebsbehandlungen unterziehen müssen. Macht Trump das Höchstgericht unter diesem Gesichtspunkt zum Thema, kann er womöglich auch diesmal konservative Wähler an die Urnen locken.

Erzkonservative Hegemonie

Aber auch im aktuellen System ist nicht alles gut, auch wenn das Höchstgericht nun bewiesen hat, dass es sich an den rechtsstaatlichen Mindeststandard hält, auch gegen den Willen des Präsidenten entscheiden zu können. Dass sich der Supreme Court in den vergangenen Jahren massiv nach rechts bewegt hat, ist nur schwer zu übersehen. Und natürlich hat das – auch wenn die eine oder andere überraschende Entscheidung gefällt wird – auch massive Auswirkungen auf die Rechtssprechung.

Und dann sind da noch die darunterliegenden Ebenen, in denen Trump sein Wort gründlich gehalten hat. Auf Ebene der Bundesgerichte – dem Level unterhalb des Supreme Court – hat er 51 Stellen neu besetzt, das sind 30 Prozent aller Richterämter auf dieser Ebene. Die von Trump nominierten Richterinnen und Richter sind deutlich jünger und deutlich stärker ideologisch geprägt, als dies früher gängig war. Sie werden die Justiz für die Dauer einer Generation prägen.

Der Präsident hat sich mit dieser Besetzungspolitik auch die eiserne Treue wichtiger Republikaner wie des Mehrheitsführers im Senat, Mitch McConnell, geholt. Er weiß: Auch wenn Trump einmal Geschichte ist, wird die erzkonservative Hegemonie über das amerikanische Justizsystem noch lange anhalten. (Manuel Escher, 19.6.2020)