Schnittblumen – Blütezeit

petra eder

Ich muss gestehen, ich war nie ein großer Blumen-Fan. Ein kunstvoll zusammengestellter, opulenter Strauß als Präsent mag so manch floral versierte Person zu Tränen rühren. Mir entlockte das Grünzeug lange Zeit maximal ein müdes Lächeln. Doch dann kam Corona.

Während die Leute im Supermarkt nur Augen für Pasta, Germ und Klopapier hatten, bemerkte ich etwas, das mir trotz psychologisch ausgeklügelter Warenplatzierung noch nie zuvor aufgefallen war: bunte Blumensträuße in der Nähe des Eingangsbereichs. Die unterschiedlichen Formen und Farben der Blütenpracht zogen mich plötzlich in ihren Bann. Es blieb nicht beim einmaligen Impulskauf. Während des Lockdowns versorgte ich mich regelmäßig mit frischen Schnittblumen. Und auch jetzt nach dem großen Stillstand steht immer ein bunter Strauß auf meinem Esszimmertisch. Er erinnert mich an die seltsame Zeit in Heimisolation, und ich freue mich, dass sie vorbei ist. So wurde aus dem müden Lächeln beim Anblick der Blumen ein ehrliches. Für die Freudentränen reicht’s aber trotzdem noch nicht. Michael Steingruber

Kopfhörer – Endlich Stille

petra eder

Eigentlich war er fürs Großraumbüro gedacht. Die Kollegin, selbst manchmal etwas lauter telefonierend, hatte mich angefixt. Ich beschloss, mir Noise-Cancelling-Headphones vom Weihnachtsgeld zu gönnen. Gekauft habe ich sie im Februar – ein günstigeres Vorjahresmodell, denn die "verbesserte Telefonfunktion" wäre nicht wichtig, meinte ich auf die Frage des Verkäufers, da gäbe es Telefonkammerln in der Redaktion. Tja. Das gute Stück wurde ein paar Wochen lang täglich in der Aufbewahrungsbox in die Tasche fürs Büro gepackt und meist unbenutzt wieder brav nach Hause transportiert. Dann kam der Lockdown, die Wohnküche wurde zum Homeoffice. Ob laut telefonierender Ehemann, mit Tellern scheppernde Teenagertochter, Videokonferenz im Schlafzimmer – der Kopfhörer hat die Box schon lange nicht mehr gesehen. Und er ist mir mittlerweile auch abends ans Herz gewachsen, wenn Mann und Kind Actionfilme ansehen und frau lieber in aller Ruhe ein gutes Buch lesen möchte. "Akku neunzig Prozent", ertönt die automatische Stimme beim Einschalten – wie beruhigend! Petra Eder

Poster – Mein Alf

Foto: artnet

Zugegeben, der strubbelige Außerirdische hat seinen Platz noch nicht gefunden. Dabei ist er schon vor zwei Monaten bei mir zu Hause eingezogen. Seither steht Alf ein wenig deplatziert auf einem Wohnzimmerregal herum. Das tut er überaus geduldig. Denn zum Glück hat er wenig mit dem Chaos stiftenden Wahnsinnigen vom Planeten Melmac zu tun, der in den Achtzigern das Leben der Familie Tanner auf den Kopf stellte. Null Heißhunger auf Katzen, er belastet weder Telefonrechnung noch Kreditkarte. Man könnte sogar sagen: Er ist der unanstrengendste Mitbewohner, den ich je hatte.

Alf ist nämlich in der pixeligen Posterversion des Künstlers Peter Kogler bei mir gelandet. Das klingt ziemlich langweilig, doch zu meiner Verteidigung muss ich sagen: Schuld an der Bestellung war, jaja, das Homeoffice. Ich beschloss, die Wohnung zu verändern, stolperte im Netz über das Poster, der Text zum Bild überzeugte: "Mit dem Kinderheld des 1980er-Jahre-Fernsehens bietet uns Peter Kogler eine wunderbare Erinnerung an diese Zeit". Und für mich jetzt eben auch an den Lockdown. Anne Feldkamp

Sekt-Kram – Das tägliche Flascherl

Foto: Michael Hausenblas

Ich mag Champagner. Dann und wann. Er könnte prinzipiell ruhig öfter kredenzt werden. Heikel bin ich nicht. Taittinger, Roederer, die "alte Witwe", auch Pommery soll mir recht sein. Hauptsache, der Stoff ist eiskalt. Mit den Tagen des Lockdowns änderte sich mein Verhältnis zum Nobelsprudel. Dann und wann, wenn die Abendsonne in einem gewissen Winkel über einem gewissen Platzerl in der Wiener Innenstadt steht, sitze ich (noch immer) auf einem alten Stein und entstöpsle eine Flasche Piccolo-Sekt. Es handelt sich um jenen Perlwein, den ich zuvor mit einem Mitbringsel von Tantentäuschern zu Kaffeekränzchen assoziierte.

Der Mönch Dom Pérignon soll nach seinem ersten Schluck Sprudelwein ausgerufen haben: "Kommt schnell, ich trinke Sterne!" Beim Piccolo-Sekt ist von Sternen nichts zu schmecken, es sind eher ein paar rostige Satelliten, die den Gaumen kitzeln. Freilich könnte man einwenden, es gibt auch Piccolo-Champagner. Aber Kurzarbeit ist Kurzarbeit. Die gilt auch für Schaumwein. Und noch etwas: Der Satz, das Leben sei viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken, ist ein Schnöselspruch. Ich halte es mit dem Schriftsteller Peter Bichsel, der meinte, ihm wäre das Leben lang genug, um schlechten Wein zu trinken. Michael Hausenblas

Das gute Werkzeug

Foto: Getty Images/iStockphoto/ artisteer

Sven Regener hat der Grabgabel, diesem Hybrid aus Spaten und Mistgabel, ein literarisches Denkmal gesetzt. Das Wort werde immer besser, je länger man es in Gedanken hin- und herschiebe, heißt es in seinem Roman Wiener Straße. Meine zerbrach an der physischen Belastung der Krisenzeit. Dennoch: Ohne die Krise und die Einschränkung der Bewegungsmöglichkeiten wäre das Projekt "Bewässerungsanlage für den Gemeinschaftsgarten" fürs Erste wohl nur ein Plan geblieben. So ergab es sich, dass sich an einem heißen Sonntag ein Teil der Nachbarschaft ebendort einfand, um einen Kindergeburtstag zu feiern. Während die Kids Topfschlagen spielten, diskutierten wir Homeoffice-geschädigten Väter das Wann, Wie, Wer. Ein paar Bierchen später legten wir los. Wir mühten uns unter den belustigt-skeptischen Blicken unserer Frauen ab. Und ja: Trotz des Verlusts meines Werkzeugs schafften wir es, die Künette rund um den Garten auszuheben. Die Anlage läuft schon, der Rasen sprießt. Grabgabel, Grabgabel ... ich freue mich schon, mir eine neue zu besorgen. Man weiß ja nie, was die nächste Krise mit sich bringt. Markus Böhm

(20.6.2020)