Bild nicht mehr verfügbar.

Neue Kritik an Apples App-Store-Regeln.

Foto: Patrick Semansky / AP

Ausgerechnet wenige Tage vor dem Start von Apples jährlicher World Wide Developers Conference sieht sich der iPhone-Hersteller nun unter schwerem öffentlichen Beschuss – noch dazu durch Entwickler für die eigene Plattform. Stein des Anstoßes sind dabei einmal mehr die mit der Nutzung des App Stores einhergehenden Regeln.

Hey

Zum Wortführer hat sich dabei die Firma Basecamp aufgeschwungen. Diese hat vor wenigen Tagen mit Hey einen neuen, kostenpflichtigen E-Mail-Service für Power-User vorgestellt. Die zugehörige App wurde auch zunächst von Apple akzeptiert, bei weiteren Updates stellt sich das Unternehmen nun aber quer. Der Grund: Man will Hey dazu zwingen, eine Sign-up-Funktion in die eigene App zu integrieren – wodurch Apple dann mit 30 Prozent an den Einnahmen beteiligt würde.

Genau das will Hey aber nicht und verweist die Nutzer lieber auf die eigene Website. Das will aber wiederum Apple verhindern, immerhin gehen dem Unternehmen damit Einnahmen verloren. Und dabei schreckt man auch nicht davor zurück, die ganze Macht, die man über iOS ausübt, auszuspielen. Wer sich den Vorstellungen des Unternehmens nicht beugt, kann also aus dem App Store verbannt werden, so schreiben es die Regeln von Apple vor. Oder aber Apple sperrt einfach sämtliche Folge-Updates – wie es jetzt bei Hey der Fall ist.

"Mafiös"

Bei Basecamp will man diese Vorgehen nicht so einfach schlucken. So findet der Technikchef des Unternehmens, David Heinemeier, in einem Interview mit "The Verge" deutliche Worte. Die Methoden, die Apple hier anwende, seien geradezu mafiös. Der Review-Prozess sei komplett arbiträr, und selbst wenn man es einmal in den App Store geschafft habe, könne das Unternehmen einem später nach Belieben die Einnahmequelle abdrehen. Wenn Apple die 30-Prozent-Beteiligung mit dem Hinweis auf Sicherheitsprüfungen rechtfertige, dann sei das in etwa so, wie wenn ein Erpresser Schutzgeld will, damit der Schaufensterscheibe nichts passiere.

Die Gleicheren unter den Gleichen

Noch dazu lege Apple dies Regeln eben nicht konsistent an. Firmen wie Netflix weigern sich ebenfalls, Apple an den Einnahmen zu beteiligen – und dürfen trotzdem im App Store verbleiben. Kleinere Anbieter seien hingegen der Willkür von Apple schutzlos ausgeliefert. Heinemeier betont denn auch, dass man in den vergangenen Tagen von zahlreichen App-Entwicklern gehört habe, die ähnliche Erfahrungen gemacht hätten. Keiner davon traue sich aber, die Kritik öffentlich vorzutragen, da man eine Bestrafung durch Apple fürchte. Und diese Befürchtung sei keineswegs weit hergeholt. Schließlich sei es wohl kein Zufall, dass er selbst vor einigen Monaten als Zeuge vor dem US-Kongress gegen die App-Store-Regeln aufgetreten sei – und nun ausgerechnet Hey auf diese Weise behandelt werde. Die Angst vor Apple gehe so weit, dass er selbst von großen IT-Konzernen gehört habe, dass sie sich nicht wagen, öffentlich gegen die Methoden des Unternehmens Stellung zu beziehen, da dieses zu mächtig und zu angesehen sei.

Kritiker

Es gibt aber auch Ausnahmen von diesem allgemein Stillschweigen. So hat sich infolge der aktuellen Diskussion nun auch die Firma Match, Hersteller der Dating-App Tinder, hinter Basecamp gestellt. Auch vom Spielehersteller Epic gibt es Support. Epic selbst war rund um "Fortnite" jahrelang in einem vergleichbaren Streit mit Google, das im Play Store ähnliche Regeln anlegt. Allerdings mit zwei entscheidenden Unterschieden: Während es unter Android möglich ist, Apps auch extern zu installieren, ist dieser Weg bei iOS verschlossen – Apple hat hier die volle Kontrolle. Zudem gibt es einen fixen Beteiligungszwang im Play Store nur bei Spielen, Apps können hingegen problemlos ein Browserfenster aufmachen, um dort die Registrierung vorzunehmen. Dieser Unterschied ist übrigens auch Apple selbst durchaus bewusst. Immerhin nutzt das Unternehmen diese Alternative, um bei der Android-Version von Apple Music keine finanzielle Beteiligung an Google zahlen zu müssen.

Abzocke

Auch wenn Heinemeier betont, dass es dem Unternehmen um eine Grundsatzfrage geht, nämlich wie es sein kann, dass ein Unternehmen irgendwann einmal eine App-Plattform aufstellt, um dann nach Belieben über Erfolg und Misserfolg von Softwareherstellern entscheiden zu können, verweist er auch auf die Unverhältnismäßigkeit des Apple-Anspruchs. 30 Prozent Beteiligung seien die reinste Abzocke, dies sei ein Vielfaches von dem, was etwa Kreditkartenfirmen für die Abwicklung verlangen. Für ihn sei es jedenfalls undenkbar, Apple einfach so ein Drittel aller Umsätze zu schenken.

Kartellverfahren

Klar ist jedenfalls, dass Apple mit seiner Position zunehmend ins Visier der Kartellwächter gerät. So hat erst vor wenigen Tagen die EU-Kommission eine entsprechende Untersuchung gegen Apple angekündigt. Dem war eine Beschwerde von Spotify vorangegangen, das in der 30-Prozent-Regel eine unfaire Ausnutzung der Marktmacht sah. Immerhin könne hierdurch Apple für sein eigenes Musikstreaming günstigere Preise verlangen als Spotify, da man die 30 Prozent an sich selber zahle.

Relationen

Eine entscheidende Frage bei solchen Untersuchungen ist immer der Punkt der marktbeherrschenden Stellung. Dabei wird einiges davon abhängen, welcher Markt hier als Referenz herangezogen wird. So könnte auch iOS als eigener Markt betrachtet werden, auf dem Apple dann Alleinherrscher ist – und somit auch strengere Regeln auferlegt bekommt. In den USA kommt noch dazu, dass iOS dort relativ gesehen deutlich stärker verbreitet ist. Und selbst global gesehen nimmt Apple mehr mit dem App Store ein als Google mit seinem Play Store. (apo, 19.6.2020)