Kommenden Mittwoch wird Bundeskanzler Sebastian Kurz vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss aussagen. Vorab erklärte er, er könne wohl "wenig beitragen zum Ibiza-Video selbst und auch zu gewissen Vorwürfen gegen die Freiheitliche Partei". Mag sein, aber die Opposition wird mehr wissen wollen. Die offizielle Bezeichnung des U-Ausschusses trägt nämlich die Qualifikation "betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung".

Kommenden Mittwoch ist Bundeskanzler Sebastian Kurz im Ibiza-U-Ausschuss geladen.
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Es geht im Grunde darum, ob die türkise Regierungspartei und mithin Sebastian Kurz selbst Teil eines FPÖ-Deals rund um "Käuflichkeit" im Zusammenhang mit Glücksspiel waren.

Es gibt aber noch einen zweiten, nicht minder wichtigen Strang: Über dem Ganzen liegt der Geruch der Vertuschung.

Am 17. Mai 2019 wurde der Inhalt des Ibiza-Videos veröffentlicht, mitsamt dem Ausspruch von Strache: "Novomatic zahlt alle." Am 23. Mai ließ ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes gegen den Einspruch der hausinternen IT-Abteilung unter falschem Namen fünf Festplatten außer Haus schreddern. Der Auftrag dazu kam aus dem Büro des damaligen Kanzleramtsministers Gernot Blümel. Die Rechercheplattform Zackzack des früheren Abgeordneten Peter Pilz deckte nun auf, dass ein Polizist der Sonderkommission in der Ibiza-Sache (Soko Tape) bereits das Handy des Kanzleramt-Schredderers in der Hand hatte, dieses aber wieder zurückgab. Daraufhin wollte die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) das Handy sichern. Aber die Oberstaatsanwaltschaft erteilte der WKStA die Weisung (!), die Sache zu vergessen.

Der Polizist ist ein gewisser Niko R. Ein echter Sonderermittler, denn er schickte nach Straches Rücktritt wegen Ibiza diesem eine SMS mit der glühenden Huldigung: "Lieber HC, ich hoffe auf einen Rücktritt vom Rücktritt… die Politik braucht dich". Mehr Befangenheit geht wohl nicht. Niko R., der auch lokal für die ÖVP kandidierte, meldete die SMS sogar dem Chef der Soko Tape, Andreas Holzer. Er wurde trotzdem weiter mit Ermittlungen gegen Strache und eben auch in der Schredder-Affäre beauftragt. In Letzterer lieferte er eine unbezahlbare Erklärung, warum er möglicherweise relevante Handys und Computer in der ÖVP-Parteizentrale nicht beschlagnahmt hatte. Stefan Steiner, der engste Berater des Bundeskanzlers, habe die Polizisten schon vom Fenster aus gesehen, "weshalb man davon ausgehen könne, dass belastende Daten sicherlich schon beseitigt worden seien"(!).

Kottan ermittelt. Oder doch eher Watergate? Der US-Präsident Richard Nixon stürzte 1974 letztlich über die Vertuschung und die Behinderung der Justiz im Zusammenhang mit einem "drittklassigen Einbruch" im Büro der Demokraten im Watergate-Hotel.

Selbstverständlich ist das alles nur ein Verdacht. Auffällig ist jedoch, dass die dem türkisen Innenminister unterstehende Soko Tape sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf die Handlanger des Ibiza-Videos konzentriert, also auf ein Nebenthema, während die WKStA (auch vor dem U-Ausschuss) den mangelnden Aufklärungseifer in Sachen Hauptthema, nämlich "mutmaßliche Käuflichkeit", kritisiert.

Kanzler Kurz ist in der Sache nicht Beschuldigter, er kann sich also vor dem U-Ausschuss nicht so der Aussage entschlagen wie andere vor ihm, sagt Stefanie Krisper, die "Verhandlungsführerin" der Neos im Ausschuss. Viel wird da auf informiertes Fragen der Opposition ankommen. (Hans Rauscher, 20.6.2020)