Der U-Ausschuss hat durch Straches Abend auf Ibiza viel Arbeit bekommen

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Die Causa Ibiza ist zu einem Schlagwort für alle möglichen Verfehlungen von Politikern und Behörden geworden. Ein Überblick – für den betont wird, dass bei allen Genannten die Unschuldsvermutung gilt.

1. Das Bodyguard-Material

Den Ausgangspunkt nimmt die Geschichte im Sommer 2015. Damals versucht der Wiener Anwalt R. M. belastendes Material über den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu verkaufen und an die Polizei zu vermitteln. Die Informationen wurden von Straches Bodyguard R. gesammelt. Es sind Fotos von Sporttaschen mit Geld – ein angeblicher Mandatskauf ukrainischer Oligarchen im Jahr 2013 – sowie gesammelte Belege über falsche Spesenabrechnungen. Politische Rivalen und Behörden können mit dem Material nichts anfangen.

2. Die Ibiza-Anbahnung

Deshalb wird mutmaßlich mit dem Sicherheitsconsulter J. H. der Plan geschmiedet, Strache in eine Videofalle tappen zu lassen. Ab 2016 laufen dafür Vorbereitungen; wie nun bekannt wurde, sollte schon im Herbst 2016 kompromittierendes Material entstehen. Dann wird die Idee der falschen Oligarchennichte geboren. Die Anbahnung erfolgt über Straches Vize Johann Gudenus; er sagt, er habe Strache auf dem Laufenden gehalten. Im Juli 2017 treffen sich die beiden Politiker mit dem Lockvogel auf Ibiza, das berühmte stundenlange Video entsteht.

3. Regierungsaffären

Während die Hintermänner in den folgenden Monaten offenbar versuchen, das Video zu Geld zu machen, zieht Strache nach der Nationalratswahl 2017 in die Regierung ein. Ermittler vermuten, dass er und seine Regierungskollegen dann korrupte Vorgänge gesetzt haben: etwa einen Deal mit der Novomatic rund um Kasinoslizenzen im Abgleich für Hilfe bei Postenschacher oder Interventionen für einen Privatklinikbetreiber. Seit 2015 gibt es eine Reihe von FPÖ-nahen Vereinen, die Geld sammeln – dazu laufen ebenfalls Ermittlungen.

4. Großflächige Ermittlungen

Im Mai 2019 erscheinen Ausschnitte des Ibiza-Videos auf SZ und Spiegel. Strache tritt zurück. Die Regierung zerbricht, auch weil die FPÖ nicht das Innenministerium unter Herbert Kickl aufgeben will. Rasch kümmert sich die Justiz um das Ibiza-Video. Eine polizeiliche Soko, die Soko Tape, soll die Ermittlungen führen, und zwar im Auftrag der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die Inhalte des Videos prüft, sowie der Staatsanwaltschaft Wien, die Hintermänner sucht. Rasch wird klar, dass die Zusammenarbeit zwischen den drei Behörden nicht besonders gut funktioniert.

5. Die Schredderaffäre

Da Kurz die Regierungsgeschäfte bis zur Neuwahl mit einer ÖVP Alleinregierung führen will, wird ihm von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt das Misstrauen ausgesprochen. Kurz davor schreddert ein Mitarbeiter unter falschem Namen Festplatten. Ermittler vermuten anfangs eine Verbindung zur Ibiza-Affäre. Die Ermittlungen dazu werden der WKStA entzogen, nachdem sie mit einem Polizisten, der einst für die ÖVP kandidiert hatte, über die Sicherstellung eines Handys gestritten hat (siehe Text links), und schlussendlich eingestellt. Außerdem gibt es in der Casinos-Affäre erste Hausdurchsuchungen. Bei der Nationalratswahl im Herbst triumphiert die ÖVP, die FPÖ stürzt ab.

6. Türkis gegen WKStA

Der neu gewählte Nationalrat setzt auf Antrag von SPÖ und Neos rasch einen breit gefächerten Ibiza-U-Ausschuss ein. ÖVP und Grüne wollen die Themenliste einschränken, scheitern damit aber vor dem Verfassungsgerichtshof. Währenddessen kritisiert Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die WKStA für lange Ermittlungen, so ist in der Casinos-Affäre auch Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) beschuldigt. Im Hintergrund streiten Soko Tape und WKStA rund um Ermittlungsstrategien und Beweismittel. Der U-Ausschuss wird wegen der Corona-Krise auf Juni verschoben, Strache hat mittlerweile eine neue Partei.

7. Das Video wird gefunden

Ende April 2020 findet die Soko Tape das Ibiza-Video und andere Clips bei Bekannten der Hintermänner aus der Erotikbranche, gibt jedoch nur der Staatsanwaltschaft Wien, nicht aber der WKStA Bescheid. Im U-Ausschuss eskaliert der Konflikt zwischen WKStA und Soko Tape, außerdem gelangen neue Details zum Regierungshandeln der ÖVP, etwa im Umgang mit Großspendern, an die Öffentlichkeit. Die Soko informiert die Öffentlichkeit Ende Mai – kurz bevor der U-Ausschuss startet. Der will das Video natürlich sehen, erhält es jedoch vorerst nicht. Da schaltet sich der Anwalt des mutmaßlichen Drahtziehers J. H. ein, der dem U-Ausschuss das Video direkt anbietet. Ausschussvorsitzender Sobotka lehnt ab, die Opposition schäumt.

8. Alle gegen die ÖVP

Obwohl das Ibiza-Video FPÖ-Politiker zeigt, interessiert sich der U-Ausschuss enorm für das türkise Regierungshandeln. Ständig werden neue fragwürdige Vorgänge entdeckt, vor allem im Finanzministerium. Auch Öbag-Alleinvorstand Thomas Schmid steht unter Beschuss, weil Suchtgiftermittlungen gegen ihn laufen.Der U-Ausschuss will nun alle SMS der beschlagnahmten Handys einsehen. (Fabian Schmid, 20.6.2020)