Die Causa Ibiza entwickelt sich zu einem Panoptikum der Absurditäten. Das zeigen die jüngsten Enthüllungen. Es geht um den Verdacht des Suchtgiftmissbrauchs, es gibt Verbindungen zum Rotlichtmilieu. Nebenschauplätze, gewiss – aber bezeichnend. Im Kern geht es um Korruption, den Anschein der Bestechlichkeit und die augenscheinliche Absicht zweier seinerzeitiger FPÖ-Größen, Staatsaufträge gegen Schmiergeld zu vergeben. Das wäre der kriminelle Teil der Causa, für die Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Es gibt aber auch einen besorgniserregenden rechtsstaatlichen Aspekt. Man hat nicht den Eindruck, dass die Trockenlegung des gesamten Ibiza-Sumpfes oberste Priorität für Justiz und Ermittlungsbehörden hat. Stattdessen gibt es ein Gezerre um Kompetenzen, Informationsflüsse, Herausgabe von Beweismaterial und so weiter und so fort. Man gewinnt den Eindruck, die Ermittler auf beiden Seiten seien mehr mit Eifersüchteleien und Revanchefouls beschäftigt als mit der Aufklärung eines der bedeutendsten Kriminal- und Korruptionsfälle der Zweiten Republik.

Verfahrensrichterin Ilse Huber, der U-Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Sobotka und Verfahrensanwalt Andreas Joklik nach einem Treffen der Fraktionsführer im Ibiza-U-Ausschuss.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Dazwischen steht der interessierte Bürger und wird immer verwirrter: Wie viele Videos gibt es eigentlich? Wer kennt sie, wer hat sie schon gesehen? Wieso dauert es so lange, bis sie transkribiert und ausgewertet sind? Reden Korruptionsstaatsanwälte und die Ermittler der Soko Tape überhaupt noch miteinander? Welche Details werden noch in der Öffentlichkeit landen, bevor sie allen Ermittlern und dem U-Ausschuss bekannt sind? Und welchen Einfluss nimmt die Politik auf die Entwicklungen in dieser Causa? Immerhin hat sich der Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, auch mit Beschuldigten in der Causa Casinos getroffen.

Bananenrepublik

Was hier gerade passiert, ist eines entwickelten Rechtsstaates unwürdig. Bei der Bekämpfung von Korruption an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft muss der Staat seinen Bürgern vermitteln, dass alle seine Organe mit aller Kraft und einig dahinterstehen. Das gibt den Menschen das gute Gefühl, nicht Teil einer Bananenrepublik zu sein, in der eh alles geht. Wenn wesentliche Behörden des Staates einander aber eifriger bekämpfen als die Sache an sich, nimmt das Vertrauen in den gesamten Rechtsstaat Schaden. Die derzeit zuständigen Minister Alma Zadić (Justiz) und Karl Nehammer (Innenministerium) stehen vor einem Dilemma: Einerseits dürfen sie sich nicht offensiv in diese Ermittlungen einmischen. Jeglicher Anschein inhaltlicher Einflussnahme wäre fatal. Andererseits können die Verhältnisse nicht so bleiben, wie sie sind. Zadić und Nehammer müssen die Kooperation zwischen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und der Soko Tape zur Chefsache erklären. Informationsflüsse müssen geklärt und Animositäten ausgeräumt werden.

Das unwürdige Schauspiel rund um die Causa Ibiza zeigt auch, wie dringend Justiz und Polizeibehörden reformiert werden müssen. Hier wird zum Teil noch gearbeitet wie vor 30 Jahren, jeder kocht sein eigenes Süppchen, statt Transparenz herrscht Klüngel-Logik. Es werden – wohl auch vorauseilend – politische Rücksichten genommen, die einfach nur haarsträubend sind. Das alles muss schleunigst aufhören, muss sofort anders werden. Der Rechtsstaat steht auf dem Spiel. (Petra Stuiber, 19.6.2020)