Eine der skurrilsten Episoden der Geschichte Wiens als Standort internationaler Organisationen neigt sich dem letzten Akt zu. Das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog wird die österreichische Hauptstadt verlassen und sich in Genf ansiedeln. Österreich will es loswerden, und die Schweiz nimmt es mit Handkuss.

Der österreichische Außenminister, der im Oktober 2011 gemeinsam mit dem saudischen und dem spanischen den Vertrag zur Einrichtung des neuen Zentrums unterzeichnete, hieß Michael Spindelegger (ÖVP); ein junger ÖVP-Politiker namens Sebastian Kurz war damals schon Integrationsstaatssekretär und zeigte berufsbedingt großes Interesse am Dialog der Religionen. Dass die neue Institution nach ihrem Stifter, König Abdullah – aus dessen Vermögen das Zentrum bis heute finanziert wird –, benannt wurde, war übrigens eine Idee der vatikanischen Vertreter, nicht etwa der Saudis.

Das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog in Wien.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Zur Überraschung aller österreichischen Beteiligten stellte sich jedoch leider ein paar Jahre später heraus, dass Saudi-Arabien eine salafistische Monarchie ohne demokratische politische Rechte und ohne Religionsfreiheit ist. Wir wurden hereingelegt! Aber 2019 errettete das österreichische Parlament die Republik aus dieser peinlichen Lage, und 2020 führt die ÖVP-geführte Regierung dessen Auftrag aus und gibt den Saudis endlich den Weisel.

Zur Klarstellung: Jede Kritik an Saudi-Arabien ist legitim, jede Ablehnung des Abdullah-Zentrums ist verständlich – wenngleich nicht immer von profundem Wissen darüber geprägt, was dort eigentlich gemacht wird. Wenn die Grünen vor dem Abdullah-Zentrum gegen Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien demonstrieren wollen, dann ist das ihr gutes demokratisches Recht – auch wenn vielleicht die Botschaft des Königreichs der geeignetere Ort wäre. Und die österreichischen Volksvertreter und -vertreterinnen haben ebenso jede Berechtigung, das Zentrum hinauszuwerfen, wenn sie es nicht wollen.

Aber das macht die Politik, die es zuerst hergeholt hat und dann nicht mehr haben wollte, nicht weniger lächerlich. In Saudi-Arabien hat sich, seit König Abdullah im Jänner 2015 starb, manches zum Schlechteren und einiges zum Besseren gewendet. Die Begründung für den österreichischen Sinneswandel ist jedenfalls nicht dort zu finden, sondern nur hierzulande. Jede internationale Organisation, die daran denkt, sich in Wien anzusiedeln, sei gewarnt. (Gudrun Harrer, 20.6.2020)