Wieder vereint und glücklich: Maria Frykman und ihr Sequoia.

Foto: privat

Innsbruck – Am vergangenen Montag hatte Maria Frykman viel um die Ohren. Ihre kleine Tochter feierte Geburtstag, und sie musste vor den Feierlichkeiten noch am Vormittag an der Volksschule Innere Stadt Englisch unterrichten. Für ein wenig Erholung zwischendurch nutzt Maria für Alltagswege am liebsten das Fahrrad. Die gebürtige Schwedin ist passionierte Mountainbikerin und in Innsbrucks Szene wohlbekannt.

Für den Weg zur Arbeit wählte sie ihr geliebtes Specialized Sequoia, einen Klassiker des amerikanischen Herstellers, für den Maria, die nebenbei als Mountainbikeguide ihr Geld verdient, seit Jahren als Markenbotschafterin tätig ist. "Nach fünf Jahren durfte ich mir als Bonus ein Rad aus der Testbike-Flotte zu günstigen Bedingungen herauskaufen. Ich wählte das Sequoia", erzählt die 40-Jährige. Das schicke Adventure- oder Gravelbike in Olivgrün fiel auch ihren Arbeitskollegen auf.

Während des Unterrichts gestohlen

Als Maria vergangenen Montag unterrichtete, traf sie in der Schule zwei dieser Kollegen, und schnell kam die Rede aufs Radeln und in der Folge auf das Sequoia. Maria sagte den beiden, sie könnten es sich gerne ansehen, es stehe ohnehin vor der Schule. Doch die Kollegen verneinten, dort sei es nicht, denn sie waren gerade dort und hätten es bestimmt bemerkt. "Ich hatte sofort ein schlechtes Gefühl und rannte raus, um nachzusehen", erzählt Maria. Und da war es auch schon traurige Gewissheit: keine Spur mehr vom Sequoia.

Wegen Arbeit und Kindergeburtstag unter Zeitdruck, rief sie kurz bei der Polizei an, um den Diebstahl zumindest vorab zu melden, sollte den Beamten in Innsbruck etwas auffallen, Anzeige erstatten wollte sie tags darauf. Sie musste dringend nach Hause, schließlich wartete dort ihr Geburtstagskind. Mangels Rad nahm Maria den Bus und postete ihren herben Verlust unterwegs noch auf Facebook. Innsbruck ist schließlich klein und die hiesige Bikeszene groß.

Das helfende Netzwerk der Biker

Am Abend desselben Tages erhielt Maria dann plötzlich eine Nachricht: "Ein Mädel, das die Woche davor bei mir beim Fahrtechnikkurs war, war dran." Die junge Frau hatte Marias Posting auf Facebook geteilt, und dort sah das wiederum eine ihrer Freundinnen, die im Innsbrucker Lokal Treibhaus arbeitet, direkt neben der Volksschule, wo Maria unterrichtet. Diese kannte das auffällige Bike von Maria und wusste, dass es einer Frau gehört. An dem Tag sah sie allerdings einen jungen Burschen damit vorbeifahren und wunderte sich noch darüber.

Als sie das Posting sah, war ihr der Zusammenhang klar. Und wie es der Zufall wollte, war an dem Tag ein Gast im Lokal, der wiederum den jungen Burschen kannte, der auf dem Rad davongefahren war. "Es stellte sich heraus, dass der junge Mann mit diversen Problemen zu kämpfen hat. Ich wollte ihm nicht noch ein zusätzliches bereiten. Daher bot ich an, wenn er das Rad zurückgibt, verzichte ich auf eine Anzeige", erzählt Maria.

Über Nacht zurückgekehrt

Dieses Angebot wurde über Umwege an den Dieb weitergeleitet. Am nächsten Morgen stand Marias Sequoia fein säuberlich angekettet vor dem Treibhaus. Die Wiedersehensfreude war dementsprechend. Zu einer Entschuldigung konnte sich der ertappte Dieb zwar (noch) nicht aufraffen, aber die ganze Geschichte löste sich somit in Wohlgefallen auf.

Für Maria bewiest die Episode, dass die Radlszene eine große Familie ist: "Biken verbindet. Ich finde es so cool, was für ein gut funktionierendes Netzwerk es hier gibt." Groll gegen den geläuterten Dieb hegt sie nicht: "Soweit ich weiß, hat er es echt nicht leicht. Es ist toll, dass ihm aus der Aktion nicht noch zusätzliche Probleme entstanden sind." Ohne die Hilfe der gut vernetzten Bike-Community Innsbrucks wäre Marias geliebtes Bike wohl nicht mehr aufgetaucht. Im vergangenen Jahr wurden in Österreich 20.805 Fahrräder gestohlen. Diese Zahl ist zwar seit nunmehr fünf Jahren in Folge rückläufig, allerdings liegt die Aufklärungsquote bei mickrigen sieben Prozent.

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) empfiehlt daher, unbedingt die Rahmennummer des Fahrrads zu notieren, so kann ein wiedergefundenes Fahrrad leichter an den rechtmäßigen Besitzer übergeben werden. Da aber mehr als 90 Prozent der als gestohlen gemeldeten Fahrräder verschwunden bleiben, ist bei hochwertigen oder neueren Modellen eine Diebstahlversicherung zu empfehlen. (Steffen Arora, 20.6.2020)