Birgit Hebein und Michael Ludwig werden mit ihren Parteien weiter in der Stadtregierung gewünscht. Den anderen Parteien wünschen die Befragten mehrheitlich eine Oppositionsrolle

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Wien/Linz – Ein Machtwechsel in Wien? Nein, davon kann derzeit keine Rede sein. Nur 16 Prozent der wahlberechtigten Wiener Bevölkerung wünschen sich einen politischen Umschwung. Und diese 16 Prozent rekrutieren sich in hohem Maße aus der ÖVP-Wählerschaft (und ein wenig auch aus den Freiheitlichen).

Das geht aus der in dieser Woche durchgeführten Umfrage des Linzer Market-Instituts für den STANDARD hervor. In dieser Umfrage wurde gefragt: "In Wien findet heuer eine Landtags- und Gemeinderatswahl statt. Man hat ja bei einer Wahl nur eine Stimme – aber man kann sich wünschen, was bei der Wahl am Ende herauskommen soll. Welche Folgen der Wiener Wahl erscheinen Ihnen persönlich wünschenswert?" Und da zeigt sich, dass keiner anderen Partei als der SPÖ in relevantem Ausmaß gewünscht wird, dass sie stark genug wird, den nächsten Bürgermeister zu stellen.

37 Prozent sagen, sie wünschten sich, "dass die SPÖ unter Bürgermeister Ludwig bestätigt wird und stärkste Kraft bleibt" – und diesen Wunsch teilen neben den Parteigängern der SPÖ auch in einem hohen Maße die Parteigänger der Grünen. Zudem sagen 26 Prozent, dass sie sich wünschen, dass die Grünen mit Birgit Hebein in der Stadtregierung bleiben.

Zum Vergleich: Im Jahr 2015, vor der letzten Landtagswahl, wünschten 30 Prozent, dass die SPÖ unter Michael Häupl bestätigt würde, und 17 Prozent wünschten sich die Grünen unter Maria Vassilakou als Koalitionspartei.

Grundlegende Änderung

Die Umfrage zeigt ein grundlegend verändertes politisches Spektrum in Wien, sagt Market-Institutsleiter David Pfarrhofer: "Die SPÖ ist in den Rohdaten deutlich stärker, als sie es im Frühsommer 2015 war, ebenso Michael Ludwig, der in der Bürgermeisterfrage derzeit von 36 Prozent genannt wird – und da kommen noch sechs Prozentpunkte von jenen dazu, die erst keinen Kandidaten nennen, aber auf Nachfrage sagen, dass Ludwig am ehesten geeignet wäre. Diese Werte hatte Häupl erst am Ende des Wahlkampfs, Ludwig hat sie schon jetzt." Ähnlich sei es bei den Grünen, die heute als gut etabliert gelten.

In der Sonntagsfrage weist Market die Grünen mit 16 Prozent (gut vier Prozentpunkte verbessert) und SPÖ mit 38 Prozent aus. Damit liegt die Bürgermeisterpartei knapp unter dem Wahlergebnis von 2015 (39,59 Prozent) und weit vor ihrem Ergebnis bei der Nationalratswahl im Vorjahr, als sie mit 27,1 Prozent die ÖVP (24,6 Prozent) nur mit Mühe auf Distanz halten konnte.

Nur 16 Prozent für Blümel

In der Market-Hochrechnung kommt die ÖVP jetzt auf 25 Prozent – sie würde damit zweieinhalbmal so stark wie bei der Wahl 2015. Die Idee, dass der derzeitige Finanzminister Gernot Blümel Bürgermeister werden könnte, bleibt aber ein Minderheitenprogramm – sowohl bei den gewünschten Wahlfolgen als auch bei der direkt gestellten Bürgermeisterfrage. Wo Ludwig mit 36 plus sechs Prozent aus der Nachfrage führt, folgt Blümel mit zwölf plus vier, Hebein mit neun plus zwei und der Freiheitliche Dominik Nepp mit vier plus eins.

Die Freiheitlichen leiden nicht nur unter einem Wählerabfluss an die ÖVP (wie schon bei der Nationalratswahl), sondern auch unter der Konkurrenz durch Heinz-Christian Strache: Dieser hatte die FPÖ vor fünf Jahren über die 30-Prozent-Marke geführt, jetzt liegt die FPÖ bei hochgerechneten neun Prozent; dem Team Strache werden in der Hochrechnung vier Prozent zugetraut. Immerhin zwei Prozent wünschen sich Strache sogar als Bürgermeister. Zum Vergleich: Als Strache sich seinerzeit zum Herausforderer von Häupl stilisieren konnte, wollten ihn 26 Prozent der damaligen Befragten zum Bürgermeister wählen, wenn so eine Direktwahl in Wien möglich wäre.

Und die Neos? Diese hatten in den vergangenen Monaten geringe mediale Präsenz, ihr Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr ist noch wenig bekannt, nur ein Prozent der Wiener wünscht ihn sich als Bürgermeister. In der Hochrechnung kommen die Neos auf sieben Prozent.

DER STANDARD ließ auch fragen, welche Parteien nach der Wahl eher in die Stadtregierung und welche in Opposition gehen sollten. Dabei punkten die SPÖ mit 68 Prozent und die Grünen mit 55 Prozent mehrheitlich als Regierungsparteien – die FPÖ und das Team Strache werden mit absoluter Mehrheit, ÖVP und Neos von einer relativen Mehrheit der Befragten als Opposition gewünscht. (Conrad Seidl, 20.6.2020)