Die Jurydiskussion beim Bachmannpreis heuer.

Foto: ORF / Johannes Puch

Klagenfurt – Die 1985 in Steyr geborene und in Wien lebende Lydia Haider musste am Samstag für den brachialen Text "Der große Gruß" sehr harsche Kritik einstecken, Lob kam lediglich von der einladenden Gomringer. Die Jury war sich über den "Maximalismus", der im Laufe des Textes nicht gesteigert werden konnte und die Bezüge zu den Wiener Aktionisten weitgehend einig. Winkels, der dem Text "vielfältige Probleme" attestierte, monierte, dass der im Text geäußerte Hass "keinen Gegenstand außer sich selber" habe.

Zu einer der Favoritinnen zählt seit Samstag auch die 1984 in Salzburg geborene und in Wien lebende Autorin Laura Freudenthaler ("Die Königin schweigt", "Geistergeschichte") mit ihrem Text "Der heißeste Sommer". Ihre Erzählerin beobachtet mit mysteriösen, blutigen Lippen das Aufkommen einer Feldmaus-Plage in einem Dorf sowie das langsame Voranschreiten von Erdfeuern, die aufgrund der Trockenheit um sich greifen. Schnell wurde deutlich, dass sich Freudenthaler damit an die Spitze der potenziellen Preisträgerinnen geschrieben hat. Wilke lobte die Nüchternheit, mit der Freudenthaler beschreibt, wie Dinge außer Kontrolle geraten: "Der Text hat eine unglaubliche Wucht." Für Kastberger war es heuer der erste Text, der an die Namensgeberin des Bachmann-Preises herankomme. Gäbe es eine Aktie, würde er "wetten, dass das eine der aufkommenden Kräfte der deutschsprachigen Literatur sein wird". Freudenthaler könnte "eine aus tausend sein, die bleiben wird".

"Einfach" bis "schlaff"

Die deutsche Autorin Katja Schönherr (Jahrgang 1982), die am Samstag las, wurde für eine "amüsante, einfache Geschichte" gelobt, für Kastberger war "Ziva" eine Allegorie auf das Wettlesen. Die Einfachheit missfiel allerdings Winkels, der sich an Satiren von Ephraim Kishon erinnert fühlte. "Der Text ist schnell komplett erschöpft und bescheiden in seinem Anspruch". Schwens-Harrant kritisierte die "sehr beschränkte Innensicht", insgesamt sei ihr der Text "zu deutlich". Wiederstein gefiel's: "Der Text ist eine Art Vexierspiel und er zeigt: Man kann klassisch erzählen und dennoch ein großes Geheimnis bis zum Ende bewahren."

Als letzte Teilnehmerin stieg schließlich Meral Kureyshi (Jahrgang 1983) in den Ring, ihr Text "Adam" stieß ebenfalls auf wenig Gegenliebe. Für Wilke war er "wie ein schlaffer Händedruck", während Wiederstein den Text als Coming of Age-Geschichte verteidigte.

Am morgigen Sonntag startet um 11 Uhr die Vergabe des Bachmann-Preises: Neben dem Ingeborg-Bachmann-Preis der Landeshauptstadt Klagenfurt, den im Vorjahr Birgit Birnbacher gewann, werden vier weitere Preise vergeben: der Deutschlandfunk-Preis mit 12.500 Euro, der Kelag-Preis mit 10.000 Euro sowie der 3sat-Preis mit 7.500 Euro und der BKS Bank-Publikumspreis mit 7.000 Euro, der mit einem Stadtschreiberstipendium in Klagenfurt verbunden ist. (APA, 20.6.2020)