Eurofighter-Training über der Ostsee: Die Stunde wird mit bis zu 100.000 Euro berechnet.

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Wien – Je näher die Jahresmitte rückt und damit auch die Entscheidung von Heeresministerin Klaudia Tanner (ÖVP), wie es mit Österreichs Abfangjägern weitergehen soll, desto mehr Gerüchte zum künftigen Luftraumüberwachungskonzept kursieren rund um die Rossauer Kaserne, den Sitz des Verteidigungsressorts. Als so gut wie fix gilt, dass dort trotz kostenintensiver Corona-Zeiten Anfang Juli der Plan präsentiert werden soll.

Hintergrund: Neben einer Typenentscheidung für ein Dutzend leichte Mehrzweckhubschrauber, deren Anschaffung samt drei neuer Black Hawks unter Tanners Vor-Vorgänger Mario Kunasek (FPÖ) eingeleitet worden ist, weil die fünfzig Jahre alten Alouette III, bisher bei Katastrophen und Notlagen im Einsatz, ausgemustert werden müssen, steht noch eine brisante Lösung an. Denn auch die Saab 105OE, die sowohl im Luftpolizei-Einsatz sind als auch als Trainingsflugzeuge für die Eurofighter dienen, sind altersschwach – und müssten mit Ende des Jahres eigentlich auf dem Boden bleiben.

Wie marod diese vor 50 Jahre alten Flugzeuge sind, hat sich gezeigt, als die gesamte Saab-105OE-Flotte gegroundet werden musste, weil ein gebrochener Bolzen als Sicherheitsrisiko erkannt worden ist. Seit Februar fliegen die seinerzeit als "Jagdbomber" gekauften Flugzeuge wieder, doch haben einige dieser Fluggeräte aus Altersgründen nur noch eine Restnutzungsdauer von ein paar Dutzend Flugstunden.

Und was dann? Diese Frage stellte sich bereits vor vier Jahren – und der damals neue Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil (SPÖ) versprach, die Lage zu evaluieren und bis Ende 2016 eine Lösung zu liefern. Denn schon damals war klar, dass nicht nur die Saab 105 ersetzt werden muss, sondern dass auch die Eurofighter nicht so wie bisher weiterbetrieben werden können: Dieses Prestigeprojekt, das sowohl die Regierung Schüssel als auch vom Hersteller (damals eine Tochtergesellschaft von EADS, heute Airbus) vorantreiben wollten, war der SPÖ noch nie geheuer gewesen. Im Jahr 2007 hat der Verteidigungsminister der Regierung Gusenbauer, Norbert Darabos (SPÖ), mit EADS vereinbart, für die Luftraumsicherung wichtige Komponenten wegzulassen und Flugzeuge der Tranche 1 (statt der technisch weiter entwickelten Tranche 2) zu kaufen.

Strafanzeige brachte wenig

Unter Doskozil wurde der Vorwurf konstruiert, dass Österreich bei diesem Vertrag und seinen Änderungen über den Tisch gezogen worden wäre – statt ein Zukunftskonzept für die militärische Landesverteidigung vorzulegen, zeigte Doskozil EADS wegen Betrugsverdachts an. Das brachte rechtlich bisher nichts, politisch bedeutete es aber Zeitgewinn. Es wurde weiter evaluiert – auch unter den Nachfolgern Mario Kunasek (FPÖ) und Thomas Starlinger.

Im Grund wollten alle offen lassen, wie es weitergehen soll mit der Luftraumüberwachung. Prinzipiell gibt es dafür drei Möglichkeiten:

  • Die Saab 105OE wird durch ein modernes Trainingsflugzeug, das mit leichter Bewaffnung Teile der Luftraumüberwachung übernehmen kann, ersetzt. In Frage käme dafür etwa die italienische M-346 oder díe tschechische L-39N. Diese Flugzeuge kosten im Betrieb etwa ein Zehntel dessen, was eine Eurofighter-Stunde kostet, die mit rund 60.000 Euro zu Buche schlägt. Die österreichische Eurofighter-Flotte, die derzeit ein Drittel ihrer Nutzungsdauer erreicht hat, müsste in diesem Fall in absehbarer Zeit nachgerüstet werden, um für jene Einsätze bereit zu sein, die Überschallgeschwindigkeit erfordern.
  • Österreich setzt voll auf den Eurofighter und verzichtet auf einen Ersatz der Sabb 105OE – das würde nicht nur eine Nachrüstung der Eurofighter erfordern, sondern auch jede einzelne Einsatz-Flugstunde verteuern, weil man ja dafür nur noch teure Eurofighter-Stunden zur Verfügung hätte. Der Großteil des Pilotentrainings würde dann auf billigerem Fluggerät im Ausland erfolgen – so wie bisher die Ausbildung auf der M-346 im italienischen Lecce. Auch das wäre nicht gratis.
  • Schließlich könnte Österreich versuchen, die Eurofighter auf dem internationalen Markt zu verkaufen – das würde ein vertraglich ausbedungenes Einverständnis Deutschlands erfordern, könnte aber nach Schätzung des Luftfahrtexperten Martin Rosenkranz etwa 600 Millionen Euro bringen. Dieses Geld würde aber nicht ausreichen, um als Ersatz einen anderen Abfangjäger zu kaufen, die Firma Saab steht mit ihrem Gripen wieder einmal vor der Tür. Die Schweden hoffen, nach der Schlappe des Jahres 2002 (da war der Gripen wegen eines zu hohen Preises dem Eurofighter unterlegen) doch noch ins Geschäft zu kommen. Österreich könnte aber auch eine ganz exotische Lösung wie den indischen Tejas wählen.

Eurofighter im Angebot

Keine der drei Möglichkeiten ist ohne Risiko, keine wirklich populär oder gar billig. Tanner also erbte dieses Problem, eine Entscheidung treffen zu müssen, ohne die jedenfalls dafür notwendige Budgeterhöhung zugesagt bekommen zu haben. Denn ihre eigene ÖVP steht bei Verteidigungsausgaben seit Jahren auf der Kostenbremse und ihr Regierungspartner Grüne hat schon bei Abschluss des Regierungsprogramms darauf beharrt, dass man keinem neuen Abfangjägerkauf zustimmen will.

Obwohl sich Tanner von allem Anfang an mit dem Abfangjäger-Hersteller unüberhörbar überworfen hat ("Airbus wird mich noch kennenlernen!", "Meine Geduld ist jetzt nicht nur am Ende, sondern der Faden ist nun gerissen"), hält sich derzeit hartnäckig die Kunde, dass erst recht wieder die Eurofighter zum Zug kommen könnten, denn: Angeblich liegt der Republik zwar nicht von Airbus, wohl aber von Deutschland schon ein Government-to-Government-Angebot vor, das drei Eurofighter-Doppelsitzer (eben auch für Trainingszwecke) umfassen würde. Viel länger schon hat der Hersteller selbst ein Wartungspaket für die bereits eingesetzten Flugzeuge offeriert, plus Nachtsicht- und Selbstschutzgarantie im Angriffsfall. Dazu soll eine Gesamtlösung für den langfristigen Betrieb der Tranche 1 in Aussicht gestellt werden.

Hohe Ausbildungskosten

Die Entscheidung drängt nicht nur wegen des dringender gewordenen Ersatzes der Saab 105OE, sondern auch wegen der enormen Kosten, die der momentane Betrieb der Luftraumüberwachung verursacht. Wenig bekannt ist nämlich, wie teuer die in fünf Phasen eingeteilte Ausbildung der Eurofighter-Piloten ist: Die fünfte Phase wird nämlich auf deutschen zweisitzigen Eurofightern in Laage durchgeführt. Und da muss das Verteidigungsministerium pro Flugstunde 100.000 Euro zahlen, wie der Luftfahrtjournalist Georg Mader vom Fachmagazin Jane's Defence herausgefunden hat.

Für die Regierung ist daher vordringlich, die Ausbildungskosten zu senken – deshalb auch die Überlegung, zweisitzige Eurofighter zu kaufen (wie das 2002 unter der Regierung Schüssel geplant, dann aber aus kurzfristigen Kostenüberlegungen abgeblasen wurde).

Schweden wirbt für Gripen

Noch vor Ausbruch der Corona-Krise deutete die Ministerin allerdings rund um die Abfangjäger an, dass die Saab 105OE länger im Einsatz bleiben könnten – Gespräche mit Schweden, wo auch der Gripen hergestellt wird, hat Tanner bestätigt, ebenso wie mit der Schweiz, wo die F-5 den Luftraum überwachen, aber über den Inhalt stets eisern geschwiegen. Aus Schweden liegt seit der Vorwoche ein konkretes Angebot dazu vor: Die Schweden wären behilflich, die Lebensdauer der Saab 105OE zu verlängern und entsprechendes Service bereitzustellen, obwohl es eigentlich keine Ersatzteile für das veraltete Flugzeug mehr gibt. Auf diese Weise hätte Saab einen Fuß in der Tür, als Nachfolgegeschäft den Gripen in Österreich zu verkaufen.

Damit nicht genug, gilt auch bei den Helikoptern dem Vernehmen nach neben Hubschraubern aus Italien ein Fluggerät von Airbus nach wie vor als Favorit – der H145. Fest steht, dass der Kauf der neuen Helis ebenfalls ein Government-to-Government-Deal sein soll, wie auch Tanner in der Vergangenheit schon mehrfach betont hat – bisher war hierfür ein Wert von rund 400 Millionen vorgesehen. (Nina Weißensteiner, Conrad Seidl, 22.6.2020)