Der Fleischbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück.

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Die Bundeswehr wurde zu Hilfe gerufen.

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Gütersloh – Nach dem Ausbruch des Corona-Virus in einem Schlachthof des Fleisch-Konzerns Tönnies im Kreis Gütersloh ist die Zahl der infizierten Mitarbeiter auf 1029 gestiegen. Insgesamt lägen knapp 3130 Befunde vor, sagte Landrat Sven-Georg Adenauer am Samstag.

Die Stadt Verl (Landkreis Gütersloh) hat eine Quarantänezone eingerichtet. Mehrere Mehrfamilienhäuser, in denen Werkvertragsarbeiter der Firma Tönnies untergebracht sind, wurden unter Quarantäne gestellt. Am Nachmittag wurde der gesamte Bereich abgeriegelt. In den betroffenen Häusern leben in drei Straßenzügen insgesamt knapp 670 Menschen.

Konzernchef Clemens Tönnies lehnt einen Rücktritt ab. "Ich werde dieses Unternehmen aus der Krise führen, ich mache mich nicht aus dem Staub", erklärte er am Samstag. Kritik, sein Konzern habe Daten von Mitarbeitern nur zögerlich weitergegeben, wies er zurück. Zugleich kündigte er einen Umbruch an: "So werden wir nicht weitermachen. (...) Wir werden die Branche verändern."

Kein Vertrauen in Tönnies mehr

Landrat Adenauer kritisierte, dass die Firma Tönnies es bis Freitagabend nicht geschafft habe, alle Adressen von Beschäftigten auch von Sub-Unternehmen vorzulegen. Deswegen hätten sich die Behörden Zugang zu den Personaldaten verschafft, um alle Adressen zu bekommen. Krisenstabsleiter Thomas Kuhlbusch sagte, das Vertrauen zur Firma Tönnies sei auf null.

Am Freitag seien von dem Unternehmen Listen vorgelegt worden, bei denen 30 Prozent der Beschäftigten die Adressen fehlten. Er sprach von einem Dunkelfeld des Subunternehmertums. Landrat Adenauer zufolge lägen nun 1300 Adressen vor. Dies würden nun von mobilen Teams aufgesucht, man begutachte die Wohnverhältnisse, informiere über die Quarantäne-Regeln und nehme Testabstriche.

Ganze Firma unter Quarantäne

Ministerpräsident Armin Laschet hatte am Freitagabend von einem "bisher nie dagewesenen Infektionsgeschehen in Nordrhein-Westfalen" gesprochen. Der Kreis Gütersloh erließ deswegen eine Allgemeinverfügung, mit der sämtliche Beschäftigte der Unternehmensgruppe Tönnies am Standort Rheda-Wiedenbrück unter Quarantäne gestellt wurden – inklusive der Verwaltung, Management und der Konzernspitze.

Sie stellt auch zusätzlich sämtliche Haushaltsangehörige der Beschäftigten mit unter Quarantäne. Das Corona-Virus war bereits mehrfach in Schlachthöfen ausgebrochen und eine Debatte über problematische Arbeits- und Unterkunftsbedingungen in der Fleischwirtschaft und die dort weit verbreiteten Werkverträge ausgelöst.

"R"-Faktor auf 1,79

Der Virus-Reproduktionsfaktor "R" in Deutschland ist nach Angaben des Robert-Koch-Instituts deutlich über den kritischen Wert von "1" gestiegen. Das sei aber vor allem auf lokal begrenzte Ausbrüche unter anderem auf einem Schlachthof in Gütersloh zurückzuführen, erklärte das RKI am Samstagabend in seinem täglichen Lagebericht. Ein bundesweiter Anstieg der Fallzahlen sei daraus bisher nicht abzuleiten. Insgesamt hatte es zuletzt bundesweit 601 neu bestätigte Infektionen gegeben, womit die Gesamtzahl auf 189.135 stieg. Die Zahl der Verstorbenen legte um elf auf 8883 zu.

Das eher auf kurzfristige Änderungen reagierende "4-Tage-R" werde aktuell auf 1,79 geschätzt, das ausgeglichenere "7-Tage-R" auf 1,55, so das RKI am Samstagabend. 100 Infizierte stecken damit rechnerisch im Schnitt 179 beziehungsweise 155 Personen an und die Zahl der Erkrankten nimmt damit insgesamt zu. Am Freitag hatte der "7-Tage-R", bei 1,17 gelegen, am Donnerstag bei 1,00 und am Mittwoch bei 0,89. (red, Reuters, 20.6.2020)